Eigentlich wollte Anneliese Schunck damals studieren und keinesfalls eine langweilige Büroarbeit annehmen. "Aber 1958 waren die Zeiten schlecht. Da hatten wir kein Geld zum Studieren." Deshalb hätten ihr die Eltern nach der damals noch dreijährigen Ausbildung zur Mittleren Reife übers Arbeitsamt eine Bürostelle bei der Firma Hans Lang & Sohn am Alten Dorf vermittelt, erzählt sie. 16 Jahre war sie damals alt. "Also hab ich dort eine Lehre begonnen." Als nach eineinhalb Jahren eine Kollegin kündigte, übernahm sie deren Posten.
Mit ganzem Herzen dabei
Und den hatte sie bis Juni 2020 inne. Im Oktober wurde sie nun in einer Feierstunde verabschiedet. 62 Jahre lang im selben Betrieb: "Heute fast undenkbar", sagt die Seniorin rückblickend. Offiziell ist sie seit 2006 in Rente. Aber weil sie mit ganzem Herzen an ihrem Beruf hing, machte sie weiter. "Ich habe alles gemacht. Von der Auftragsannahme bis zur Rechnungserstellung und Buchhaltung. Das war sehr abwechslungsreich."
In einer Sanitär-, Installations- und Heizungsfirma schreibe man nicht den lieben, langen Tag nur Rechnungen. "Da zählt auch die Kundenbetreuung dazu. Ständig klingelt das Telefon. Das muss man alles abarbeiten. Ich kannte mich im Lager aus und habe sogar die Dachfläche vermessen."
Chefs aus vier Generationen
Die heute 78-Jährige war Mädchen für alles. Sie arbeitete unter insgesamt vier Chefs im Familienbetrieb Lang. Und zwar schon seit der ersten Chef-Generation. Ihr jüngster Vorgesetzter hatte das Zepter in der seit der nunmehr vierten Generation geführten Firma vor gut fünf Jahren übernommen. Wenn Anneliese Schunck nachrechnet, kommt sie auf zwei Drittel der Firmengeschichte, die sie aktiv mitgeschrieben hat. Und wohlgefühlt hatte sie auch. "Ich habe mich mit der Familie Lang immer sehr gut verstanden. Ich war bei allen Familienfeiern dabei. Warum hätte ich die Firma wechseln sollen?"
Als sie vor über 60 Jahren anfing, war die Werkstatt personell bestückt mit zehn Meistern, Gesellen und Lehrlingen. "Im Büro waren wir mit der Chefin zu dritt." In den späteren Jahren sei die Zahl der Handwerker in der Firma aufgrund der günstigen Auftragslage stetig gewachsen. "Momentan verzeichnen wir personell allerdings einen leichten Rückgang. Es gibt ja keine Lehrlinge mehr." Das Betriebsklima sei über all die Jahre hinweg toll gewesen. "Wir hatten immer ein sehr kollegiales Verhältnis."
Das große Los gezogen
Gerne erinnert sich die gute Seele der Firma an die legendären Weihnachtsfeiern im Betrieb. "Vor Jahren fuhr die komplette Firma geschlossen zur Handwerksmesse nach München, einschließlich eines Theaterbesuchs." Rückblickend würde sie diesen Job wieder ergreifen und auf ein Studium verzichten. "Der war in Ordnung. Ich schaue sogar heute noch in der Firma vorbei."
Natürlich könne sie auch die Beweggründe von Menschen nachvollziehen, die lieber heute als morgen ihrem Job den Rücken kehren würden. Nicht jeder habe das große Los gezogen. "Denen wird es halt in der Arbeit nicht gefallen. Vielleicht fühlen sie sich auch nicht gebraucht oder haben kein Bedürfnis, gebraucht zu werden." Vieles habe sich heute geändert. Langjährige Mitarbeit sei nicht mehr "in". Wer heute was gelten wolle, müsse oft den Arbeitgeber wechseln. "Ich brauchte das nicht. Mir wurde es nie langweilig."
Langweilig wird es Anneliese Schunck auch im Ruhestand nicht. Sie kann jetzt mehr Zeit für ihren Ehemann und das Enkelkind aufbringen. Als Ehrenmitglied beim Oberpfälzer Waldverein, dem sie jahrzehntelang im Vorstand die Stange gehalten hat - heute ist sie Revisorin - verbringt sie jede freie Minute im Wald. "Ich liebe die Natur."
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