„Die Betriebe sind extrem ausbildungsbereit, aber ihnen fehlen die Bewerber“, brachte es Thomas Würdinger bei der Bilanz zum regionalen Ausbildungsmarkt 2020/2021 der Agentur für Arbeit Weiden gemeinsam mit der Industrie- und Handelskammer sowie der Handwerkskammer auf den Punkt. Wie der Vorsitzende der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit betonte, habe es pandemiebedingt betrieblicherseits keinen Einbruch im Ausbildungsbereich gegeben. Bei der Zahl der Auszubildenden sähe das schon anders aus. Gab es 2006 noch doppelt so viele Bewerber wie Ausbildungsstellen, habe sich die Ausgangslage inzwischen umgekehrt. 2021 entfielen im Agenturbereich auf 2350 offene Ausbildungsstellen nur noch 1153 Bewerber.
Einerseits stehe das natürlich beispielhaft für das Wirtschaftswachstum in der nördlichen Oberpfalz. Andererseits gebe es momentan weniger Schulabgänger von den allgemeinbildenden Schulen. Der Rückgang an Absolventen allein innerhalb der vergangenen fünf Jahre betrage in der Nordoberpfalz 31 Prozent. Und Würdinger erwartet für die kommenden Jahre nochmals eine deutliche Verringerung.
Studium statt Ausbildung
Hinzu komme ein weiteres Problem für die Ausbildungsbetriebe, weil die Zahl der Schulabgänger mit fachgebundener oder allgemeiner Hochschulreife inzwischen nahezu ein Viertel aller Absolventen ausmache. Aber dafür könne die Agentur nichts. Er hoffe, dass einige der Abiturienten oder der Wirtschaftsschüler doch vielleicht den attraktiven Weg zu einer dualen Ausbildung finden.
„Der Trend zur weiterführenden Schule ist stark, trotz Pandemie.“ Und diese Schüler fehlten für den Ausbildungsmarkt, machte Margot Salfetter deutlich. Sie leitet das Berufsberaterteam. „Betriebe nehmen gerne auch Studienabbrecher auf, weil sie Erfahrung mitbringen.“ Deshalb strecke die Agentur ihre Fühler auch in Richtung OTH aus. Ferner sei man täglich an der Berufsschule, wo neben der beruflichen Ausbildung auch Jugendliche betreut würden, die momentan keinen Lehrberuf ausübten. „Wir wollen keine potenziellen Schulabgänger verlieren.“ Viele Jugendliche hätten soziale Probleme. Dafür gebe es Coaching-Maßnahmen, um diesen Personenkreis möglichst niederschwellig aufzufangen. Die Betreuung durch die Agentur beginne bereits in der vorletzten Abschlussklasse.
„Die Situation in der Nordoberpfalz bleibt herausfordernd.“ Das Problem, wie auch immer, sei nur mit fühlbarer politischer Unterstützung lösbar, zog Würdinger ein Fazit. „Wir müssen deutliche Signale an die Politik senden.“ Der Vertreter der Handwerkskammer Niederbayern-Oberpfalz, Tobias Knauer, rechnet hingegen in gut neun Jahren mit einer vorsichtigen Trendwende. „Wenn man sich die Eintrittszahlen in den Grundschulen ansieht, kann man davon ausgehen, dass sich in Zukunft eine gewisse Stabilität einstellt.“
Eltern auch mitnehmen
Derzeit seien vor allem körpernahe Dienstleister wie Friseure und Kosmetiker gebeutelt, was Corona geschuldet sei. Und viele Berufe seien den Absolventen völlig unbekannt. Was auch Bereichsleiterin Claudia Wildenauer-Fischer bestätigte. Die Nachfrage konzentriere sich seit Jahren konstant auf jeweils nur zehn Ausbildungsberufe bei den männlichen und weiblichen Bewerbern. Dabei gebe es 350 an der Zahl. Oft habe das familiäre Gründe. Denn der Ausbildungswunsch sei sehr stark geprägt vom Elternhaus. "Wir müssen an die Eltern ran." Momentan sei es nicht möglich, jeden freien Ausbildungsplatz zu besetzen. Auch, weil nicht jeder Bewerber für jeden Job geeignet sei.
Die Teamleiterin für den Arbeitgeberservice, Regina Ram, appellierte an die Betriebe, auch mal Kompromisse einzugehen und solche Bewerber einzustellen, die früher gar nicht einmal zum Vorstellungsgespräch eingeladen worden wären. „Der Bewerberpool ist eingeschränkt.“ Deutlich wird, dass sich die Agentur für Arbeit viele Maßnahmen für benachteiligte Jugendliche ausgedacht hat und den Übergang von der Schule zum Beruf unterstützend begleitet. Unter anderem auch durch eine assistierte Ausbildung mit Hilfe von Sozialpädagogen. "Keiner wird allein gelassen." Ram legt Absolventen auch ein Praktikum oder Berufsseminar ans Herz, als Schnuppererlebnis sozusagen. Dieses Angebot gebe es seit Jahren, habe allerdings unter der Pandemie stark gelitten.
Hans Sperber beleuchtete die aktuelle Situation pragmatisch. "Keiner will sich mehr die Hände schmutzig machen", glaubt der Schreinermeister aus Windischeschenbach. Auch habe das Niveau der Bewerber nachgelassen. "Die Qualifikation wird immer höher. Es wird nicht ausbleiben, dass wir das Problem mit steigender Automatisation abfedern." Sein Rat an alle Handwerkskollegen: "Macht eure Betriebe für Lehrlinge interessant." Jürgen Spickenreuther von der Initiative Pro Ausbildung: "Wir brauchen Macher und nicht nur Theoretiker. Wir brauchen Leute, die Häuser bauen können und nicht nur solche, die uns sagen, woran es hapern könnte. Denn das Handwerk hat goldenen Boden."
Die 10 Top-Berufswünsche
- Männliche Schulabgänger: 1. Kfz-Mechatroniker - Pkw-Technik
- 2. Fachinformatiker-Anwendungsentwicklung,
- 3. Mechatroniker
- 4. Industriemechaniker
- 5. Kaufmann im Einzelhandel
- 6. Verkäufer, 7. Tischler, 8. Industriekaufmann, 9. Elektroniker für Betriebstechnik, 10. Kaufmann- Büromanagement
- Weibliche Schulabgänger: 1. Kauffrau-Büromanagement
- 2. Medizinische Fachangestellte
- 3. Verkäuferin
- 4. Kauffrau im Einzelhandel
- 5. Industriekauffrau
- 6. Verwaltungsfachangestellte-Kommunalverwaltung, 7. Zahnmedizinische Fachangestellte, 8. Bauzeichnerin, 9. Medizinische Digital- und Printgestalterin und Technikerin, 10. Friseurin
















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