Weiden in der Oberpfalz
25.09.2018 - 14:08 Uhr

Eine wunderschöne Kindheit

Die Baugenossenschaft "Familienheim" wird 100 Jahre alt, Ende September wird gefeiert. In manchen der mehr als 50 Häuser leben einige Bewohner schon in zweiter oder dritter Generation.

Weihnachten im „Brunnenblock“: Susanne Kempf erinnert sich gern an ihre Kindheit im Wohnhaus der Baugenossenschaft – und lebt dort heute wieder. Bild: Kempf
Weihnachten im „Brunnenblock“: Susanne Kempf erinnert sich gern an ihre Kindheit im Wohnhaus der Baugenossenschaft – und lebt dort heute wieder.

(ske) Viele sind mit ihren Eltern einst eingezogen, leben mitunter noch immer am Rehbühl oder im Stadtteil Scheibe. Susanne Kempf erinnert sich an die ersten Jahre: "Ich war drei Jahre alt, als meine Mutter mit mir und meiner einjährigen Schwester in den Neubau Brunnenblock am Rehbühl zog." 16 Familien fanden sich mit mehr als 20 Kindern in den beiden Häusern zusammen.

"Sehr gut erinnere ich mich, wie mir meine Mutter beim Einzug im Badezimmer erklärte, dass ich niemals den Wasserhahn mit dem roten Punkt anfassen dürfe, sondern immer nur den Hahn mit dem blauen Punkt." Begeistert half das Mädchen damals mit, die hauchdünnen Schutzfolien von den Fenstergriffen zu schrubbeln. Dann gibt es eine Erinnerungslücke, die sich dafür mit dem ersten Frühling in der neuen Wohnung schließt. "Inzwischen war ich vier Jahre alt. Die Bauarbeiten waren im Frühjahr 1969 noch nicht ganz beendet, ein weiteres Gebäude in der Fichtestraße wurde noch erstellt. Im Hof wurden ein Sandkasten und ein Brunnen angelegt. Der Brunnen sollte für die Kinder im Haus noch eine wichtige Rolle spielen.

Nahezu jede Altersstufe war vertreten: vom wenige Monate alten Baby bis zu einigen wenigen Teenagern. Für jedes Spiel gab es ausreichend Spielgefährten. "Vom ersten Tag an war es für uns Kinder ein Paradies." Im hinteren Teil des Hofes, angrenzend an das Neue-Welt-Kino, gab es einen alten Garten mit Obstbäumen. Bald hatten die größeren Kinder im Garten eine "Schusser-Bahn" angelegt. "Wie oft ging meine Mutter mit uns zum Flierl, dem kleinen Schreibwarengeschäft in der Nähe, um neue Schusserkugeln zu kaufen."

Direkt neben dem Brunnen war ein Sandkasten. "Wasser und Sand - eine geniale Mischung. Wenn meine Schwester und ich hoch in unsere Wohnung liefen, fing uns unsere Mutter stets an der Wohnungstür ab, schnappte sich ihre panierten Kinder und stellte uns in die Badewanne." In diesem ersten Sommer wachte ein "Kindermädchen" der besonderen Art über die Quecksilber-Bande: Der Polier der Baufirma war ein gemütlicher älterer Mann, der aufpasste, dass kein Kind in einen Zementtopf plumpste oder auf Abwege geriet.

Eines der kleinen Mädchen wohnte mit seinen Eltern im dritten Stock. Hatte es Hunger, rief es nach seiner Mutter, diese ließ in einem Körbchen an einer Schnur eine Semmel oder ein Brot vom Balkon hinab. Hatte eines der Kinder ein Anliegen an seine Mutter, riefen kurzerhand alle Kinder zur Verbesserung der Lautstärke gemeinsam "Mami!". Kein Wunder, dass manchmal alle Mütter gleichzeitig auf den Balkonen erschienen.

"Auch das Sozialverhalten lernten wir Kinder im Handumdrehen." Flog ein Ball aus dem Hof auf die Straße, sauste immer das jeweils älteste Kind dem Ball hinterher, die Kleineren blieben brav im Hof.

Höhepunkt aller Kinder im Sommer war das "Brunnenfest". Wochenlang übten zwei Väter mit den Kindern Lieder ein, die dann ein großer Chor beim Fest im Hof vorsang. An diesem Tag hatte jeder der Bewohner seine Aufgabe: Getränkeausschank, Bratwurststand, Fischsemmeln, Tombola, Kinderspiele.Ein besonderes Brunnenfest war das zum zehnjährigen Jubiläum. Dr. Adolf Schuster, damals Vorstandsvorsitzender, ritt auf einem Pferd in den Hof, gekleidet wie ein schwedischer Soldat im Dreißigjährigen Krieg. Aus einem Badfenster im ersten Stock hielt er eine Ansprache. "Wir Kinder waren begeistert. Schuster war für uns Kinder eine Respektsperson. Kam er in den Hof rannten wir alle herbei." Der Garten blieb auf seine Anweisung hin erhalten, bis das jüngste Kind eingeschult wurde. Danach wurde darin ein weiteres Haus errichtet.

Nach den Studium kehrte Susanne Kempf nach Weiden zurück und bezog eine Familien-Wohnung in der Schweigerstraße. Schuster begrüßte sie als "echtes Familienheim-Kind" in der neuen Bleibe. Nach einigen Jahren zog sie wieder auf den Rehbühl und lebt seitdem in dem Haus, in dem sie aufgewachsen ist. Einige der Nachbarn aus Kindertagen leben noch heute hier. "Treffe ich frühere Spielkameraden, sagen nicht wenige: Das war unsere schönste Zeit!"

Weiden in der Oberpfalz25.09.2018
 
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