Weiden in der Oberpfalz
01.03.2024 - 10:58 Uhr

Zwei Großmeister treffen bei den Weidener Meisterkonzerten aufeinander

Prallen zwei Welten aufeinander, wenn der Großmeister des Barock auf den Großmeister des Tango Nuevo trifft? Mitnichten, sagen Bandoneonist Victor Hugo Villena und Gitarrist Friedemann Wuttke. Den Beweis treten sie in Weiden an.

Das mit „Tango Sensations“ überschriebene Konzert bringt aber nicht nur Johann Sebastian Bach und Astor Piazzolla zusammen. Den südamerikanischen Faden knüpft unter anderem der Brasilianer Heitor Villa-Lobos weiter, der barocke Bogen schließt auch Antonio Vivaldi ein, der mit Piazzolla übrigens das kompositorische Projekt „Vier Jahreszeiten“ teilt. Als „bewusst kurzweilig“, beschreibt Gitarrist Friedemann Wuttke im Telefoninterview den ersten Teil des Abends, der seinem musikalischen Partner Victor Hugo Villena und ihm darüber hinaus Gelegenheit zur solistischen Vorstellung bietet – „auf vielfachen Wunsch des Publikums“.

Zusammengefunden haben die beiden Musiker durch einen Zu- und Ausfall: Wuttkes eigentlicher Bandoneon-Partner war verhindert, Victor Hugo Villena sprang ein und tritt seither regelmäßig an der Seite des Gitarristen auf. Dass Bandoneonisten sehr entspannte und kollegiale Künstler sind, die keine Eifersüchteleien kennen, habe er über die Jahre immer wieder erfahren, sagt Wuttke.

Faszination Tango Nuevo

Die ungebrochene Faszination, die von Piazzolla und seinem Tango Nuevo ausgeht, verortet er zum einen in den Kompositionen, die die Menschen unmittelbar berühren und zum anderen natürlich im wunderbaren Klang des Bandoneons. Dieser wiederum ist Victor Hugo Villenas Domäne: Mit Tango-Klängen aus dem Radio in der väterlichen Autowerkstatt aufgewachsen, bekam er mit neun Jahren endlich das ersehnte, aber „sehr schwer zu spielende“ Instrument, erzählt der aus Argentinien stammende, in Frankreich lebende Musiker am Telefon.

Sein Talent blieb nicht lange verborgen, Villena gewann Wettbewerbe und begleitete acht Jahre lang Ute Lemper in diversen Shows: „Eine fantastische, unglaubliche Frau, sehr professionell“. Die dem Bandoneonisten aber auch Freiräume und Neuentdeckungen wie etwa Kurt Weill ermöglichte.

Seine Kernkompetenz liegt jedoch unbestritten im Tango: „Diese Musik vermittelt die universellen Gefühle und erzählt von Liebe, Verzweiflung, Hoffnung“. Und braucht dafür im Vergleich zur ähnlich angelegten Oper nicht zwei bis sechs Stunden, sondern nur vier Minuten – "genauso lang wie Bachs Präludien", so Villena.

Das Klavier des kleinen Mannes

Darüber hinaus weiß er Interessantes zur Geschichte des Instruments zu erzählen: „Das Bandoneon ist der 'missing link' zwischen Argentinien und Deutschland." Denn auch wenn das Instrument das Herzstück des argentinischen Tangos bildet, erfunden und gebaut wurde es einst in Deutschland als "Klavier des kleinen Mannes". So ist es im Vorspann des Sachbuches „Heinrich Band. Bandoneon: Die Reise eines Instruments aus dem niederrheinischen Krefeld in die Welt“ von Janine Krüger zu lesen, den der Musiker gleich im Anschluss ans Interview digital übermittelt. Auf welchem Weg und warum das Bandoneon um 1900 nach Buenos Aires kam, bleibt dieser Quelle zufolge „Teil seines Mythos“.

Zu den bekannteren Fakten dagegen gehört, dass der Tango kein rein argentinisches Nationalheiligtum ist. In Finnland oder Frankreich war dieser Tanz schon lange vor Astor Piazzolla beliebt, weiß Villena: „Aber erst Piazzolla hat den Tango in die Konzertsäle und zu den klassisch ausgebildeten Musikern gebracht.“

Und damit auch zum klassischen Gitarristen Wuttke, den Villena für seine enorme Erfahrung und seine offene, aufgeschlossene Einstellung gegenüber nicht-klassischer Musik schätzt. Ein Beispiel dafür sei Wuttkes Transkription der ursprünglich für Bandoneon und Streichquartett ausgelegten „Five Tango Sensations“, mit denen das Weidener Konzert ausklingen wird. „Es ist Piazzollas bedeutendstes und ergreifendstes Werk, sein Abschied vom Leben, durchdrungen von tiefer Melancholie“, findet Wuttke. Und der letzte Satz „Fear“ macht mit seiner Fuge wiederum dem großen Bach alle Ehre. Spätestens dann wird sein Kollege Villena wohl auch wieder erleben, was er hierzulande so mag: „Das Publikum lauscht der Musik wie in einer Kirche, sehr respektvoll.“

HINTERGRUND:

Zu Personen und Konzert

  • Victor Hugo Villena, Bandoneonist, geboren 1979 in Argentinien, wurde mit 17 Jahren von der Nationalen Tango-Akademie Buenos Aires zum "Bandoneonisten der Entdeckung" gewählt, 1997 als bester Solist beim argentinischen Nationalwettbewerb ausgezeichnet, lebt seit 1999 in Frankreich
  • Friedemann Wuttke, Gitarrist, studierte an der Musikhochschule Stuttgart, absolvierte Meisterkurse bei international bekannten Solisten, vervollständigte seine Ausbildung u.a. mit dem befreundeten russischen Pianisten Igor Zhukov, seit 2004 exklusiv Konzertgitarrist bei Hänssler Profil Medien
  • "Tango Sensations - Bach & Piazzolla", Sonderkonzert Weidener Meisterkonzerte in Zusammenarbeit mit dem Jazz-Zirkel Weiden am Sonntag, 17. März, um 17 Uhr, Hinterbühne der Max-Reger-Halle Weiden, Werke von Piazzolla, Bach, Cobian, Binelli, Vivaldi und Villa-Lobos, Vorverkauf: Tourist Information im Alten Rathaus, Regionalbibliothek, Antiquariat Schlegel, E-Center Bauscherstraße
 
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