Wer beim Wettkrähen am besten schreit, gewinnt

Weigendorf
21.06.2022 - 17:36 Uhr
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Natürlich ist hier Schreien gewünscht – so oft wie möglich. Aber wer zu laut schreit, ist nicht zugelassen beim Wettkrähen in Weigendorf. Deshalb durften Perlhühner gar nicht erst mitmachen.

Andernorts krähen zweibeinige Ungefiederte um die Wette, zum Beispiel im pfälzischen Göcklingen. In Weigendorf traten aber richtige Hähne bei der Kikeriade gegeneinander an. Der Geflügelzuchtverein Haunritz und Umgebung, der außer Hühnern und Hähnen auch Enten, Gänse, Puten, Fasane und auch einen Pfau unter seinen Fittichen hat, hatte zu einer "Open Competition" im Wettkrähen eingeladen: 32 Gockelbesitzer folgten dem Aufruf.

Bis aus Schnaittenbach, Förrenbach und Neumarkt werden die Konkurrenten zum Wettbewerb nach Weigendorf (Landkreis Amberg-Sulzbach) angeliefert. „Es geht vorrangig um Brauchtum und Tradition", betont Vereinsvorsitzender Fabian Bräutigam. "Wenn im Frühsommer die Züchter ihren Nachwuchs taxieren und man noch nicht genau sagen kann, welches Tier sich für die Ausstellungen optimal entwickelt, erhalten die Hähne vom letzten Jahr – aber auch ältere – die Chance, sich stimmgewaltig zu präsentieren“, so beschreibt er den weiteren Nutzen dieser die Gemüter erheiternden Show.

Italiener und Buschhühner

Seit gut vier Jahren ist Bräutigam der Vereinschef. Den Wettbewerb gibt es seit 2001. „Mindestens“, meint er. Seit jenem Jahr kann er es jedenfalls digital nachweisen. Der Verein an sich wurde vor 67 Jahren gegründet. Jetzt treten Barnevelder, Paduaner (Letztere würden auch jede Hairdresser Competition gewinnen), Sussex, Italiener, Deutsches Lachshuhn, Jersey Giant und Sundheimer in der Kategorie „große Hühner“ an. Bei den Zwerghühnern gibt es Rassen wie Zwerg-New Hampshire, Zwerg-Vorwerk, Antwerpener Bartzwerge, Chabots, Buschhühner oder Zwerg-Amrock, die um den ersten Platz wetteifern.

Der größere Resonanzkasten der größeren Tiere gibt auch mehr Stimmvolumen her. Aber es ist wie in der Menschenwelt: Wer die Klappe zu weit aufreißt, macht sich unbeliebt. „Perlhühner sind nicht dabei. Die würden aufgrund ihres lauten Geschreis den Wettbewerb sprengen“, erläutert der Zweite Vorsitzende Ralf Dotzler.

Fasten oder Fitness?

Im Gespräch untereinander werden Tipps ausgetauscht, wie man die Gockel zu höheren Stimmleistungen anregen kann. „Meiner bekam besonders viel Auslauf in letzter Zeit, um seine Lungen zu kräftigen,“ verrät Fabian Bräutigam. Deshalb wohl erlegt sich sein Augsburger (die einzige bayerische Hühnerrasse) noch vor dem Start ein Zusatzfitnessprogramm auf und büxt mal kurz auf die benachbarte Wiese aus. Dennoch präsentiert er sich stimmlich nicht in Höchstform und landet auf einem abgeschlagenen Platz, ohne einen einzigen Kräh(chzer).

Robert Pilhofer aus Tabernackel hingegen gibt sein Erfolgsrezept preis: „Wenn der Hunger hat, dann kräht er.“ Sein Gockel kommt auf 29 Rufe. Fasten versus Fitnesstraining – nach diesen Fachsimpeleien geht es in die Startlöcher, in diesem Fall an die Käfige. Obwohl Freilandhühner immer den moralischen Vorzug vor innerhäuslicher Haltung erhalten, verlangt das Veterinäramt, dass derlei Veranstaltungen in geschlossenen Räumen stattzufinden haben. Statt wie bisher in Ermhof musste man ausweichen. Der Bauhof Weigendorf stellte eine Halle zur Verfügung. Diese liegt direkt am Grenzbach, der den fränkisch- vom oberpfälzischsprachigen Teil Weigendorfs trennt.

Drei Spielregeln

Vorsitzender Bräutigam erklärt hier binnen weniger Sekunden die Spielregeln, da es nur drei an der Zahl sind. Erstens: Kein Coaching. Zweitens: Kein Faking (also keine menschliche Stimmimitation). Drittens: Kein Doping. Schnell noch zwei Euro Startgebühr gezahlt (dafür kriegt man kaum mal mehr eine Schachtel Eier) und los geht es. „Der beste Schreihals gewinnt,“ eröffnet Bräutigam das Spektakulum.

Acht Schiedsrichter lauschen zweimal zehn Minuten den sphärischen Kikerikis der Bruderhähne. Sieger in der Klasse Erwachsene/Großrassen wird Sigrid Pilhofer mit ihrem Hugo und 26 Weckrufen. Platz zwei nimmt Karl-Heinz Meixners Hahn mit 22 Schreien ein. In der Klasse Erwachsene/Zwerghähne stiehlt Tanja Späth-Schneiders Chabot allen die Show, gewinnt klar mit 35 Schreien und erarbeitet sich einen Futtersack. Robert Plhofers Hahn Rufus (nomen est omen) erkräht sich mit 29 Schreien den zweiten Platz.

Die besten Kräher

Bei der Jugend/Großtiere siegt Emma Weiß‘ Hahn mit neun Rufen. Ruth Appels Zwerghahn verlässt das Feld als zweiter Sieger mit einem Hahnenschrei. Bei der Jugend/Zwerghähne (im wahrsten Sinne des Wortes Jugend, denn die Besitzer sind zwischen einem und vier Jahre alt) gewinnt Niklas Späths Hahn mit 32 Rufen. Er verweist damit den Zwerghahn seines älteren Bruders Finn mit 22 Kikerikis auf den Silber-Platz. Die beiden Brüder gehören zum Nachbarverein der Kleintierzüchter Pommelsbrunn.

Diese acht Gockel jedenfalls dürften für mindestens ein weiteres Jahr dem Bratspieß entkommen sein. Nebenbei bemerkt: Auf der Speisekarte des Wettbewerbs findet sich nur Hühnerfleischfreies im Angebot. Das gesellige Miteinander der gut gelaunten Geflügelbesitzer fand allerdings nicht die würdigende Teilnehmerzahl. „Geschuldet ist dies wohl dem zu guten Wetter,“ resümierte der Vereinsvorsitzende: „Das Schwimmbad war für viele wohl verlockender.“

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