"In allertiefster Ehrfurcht Eurer Majestät allerunterthänigst, treugehorsamste General-Direction der königlichen Verkehrsanstalten Frh. v. Brück." So kniefällig war ein Schreiben unterzeichnet, in dem der Verfasser die Verlegung einer Postexpedition nach Wiesau beantragte. Empfänger war der damalige Herrscher von Bayern beziehungsweise die oberste Dienststelle. Überschrieben war der Brief vom 30. Oktober 1869 nämlich mit "allerdurchlauchtigster, großmächtigster König. Allergnädigster König und Herr." Die erlauchte Hoheit schenkte dem Freiherrn offenbar Gehör und das sogar ganz schnell. Die Errichtung der Postexpedition an der Ostbahnstrecke in Wiesau wurde im Verordnungs- und Anzeigeblatt Nr. 77 vom 13. November auch gleich bekannt gemacht. Die Anordnung selber trat am 1. Dezember in Kraft.
Als Postamt wurde der neue Bahnhof bestimmt. Das war seinerzeit üblich. Auch damals schon war man bestrebt, unnötige Kosten einzusparen. Der Post- und Eisenbahndienst war im Betriebsbüro abzuwickeln. Zudem hatte der Stationsvorsteher, neben seiner eigentlichen Aufgabe als königlich-bayerischer Eisenbahnbeamter, auch das Postkassenbuch zu führen. Er verwahrte die Gelder und musste neben seiner Arbeit auch noch die Briefmarken verkaufen und die Schreibarbeiten erledigen. Die Fluktuation der örtlichen Bahnhofsvorsteher war entsprechend hoch. Die berufliche Verweildauer - so erzählt der Chronist - betrug lediglich 4,36 Jahre.
1898 wurde seitens des Weidener Oberamtes die Trennung des Post- vom Eisenbahndienst beantragt. Begründet wurde das Anliegen damit, dass die Aufgaben, sowohl bei der Bahn als auch bei der Post, deutlich gewachsen seien. Man verzeichne einen lebhaften Lokalpostverkehr, lautete einer der weiteren Gründe. Ins Blickfeld rückte auch eine wachsende Platzknappheit, die schließlich durch den Einbau eines Blockapparates, der die Weichen steuerte, unlösbar geworden war. Hinzu kam eine deutliche Zunahme des Personals. Also musste ein eigenes Postgebäude her. Das aber war nicht von einem Tag auf den anderen zu lösen.
Im gleichen Jahr unterbreitete der Gastwirt Johann Ulrich das Angebot, im Untergeschoss des "Bayerischen Hofs", also mitten in der Wirtsstube, die Post einzurichten. Er werde das wenige Schritte vom Bahnhof entfernte Anwesen entsprechend umgestalten, ließ er verlauten. "Da eine anderweitige Unterbringung der Postexpedition vollkommen ausgeschlossen ist, dürfte das Angebot Ulrichs anzunehmen sein", empfahl das Oberpostamt in Regensburg in einer Stellungnahme. Wenig später wurde der Mietvertrag unterzeichnet. Ulrich startete mit dem Umbau. Gastzimmer und Küche, aus der ein Schalterraum wurde, wurden in Richtung Saal verlegt. Daneben wurde auch geprüft, ob man nicht auch eine zusätzliche Schlafgelegenheit für den Schalterbeamten schaffen könnte. Alles war perfekt. Am 1. August 1898 wurde das Postamt im Wirtshaus seiner Bestimmung übergeben. Jetzt wurden die Briefmarken dort verkauft, hier wurden die Postsendungen abgestempelt und auf den Weg gebracht. Vom Wirtshaus aus wurden auch die Briefträger in den Ort geschickt. Für die Bereitstellung seiner Räume verlangte Ulrich 300 Mark jährlich.
Die Gäste an den Stamm- und Biertischen mussten sich an die neue Umgebung erst gewöhnen. Weiter ist darüber nichts bekannt. Die Arbeit wird wohl normal verlaufen sein, und dass in unmittelbarer Nähe des Postamtes noch ein Gasthaus war, kam den königlichen Beamten sicher gelegen. Der Mietvertrag, der jährlich gekündigt werden konnte - so erzählt die Chronik - war unbefristet.
Bald daran gewöhnt
Man hatte zwar beim Umzug ins Wirtshaus vereinbart, sich baldmöglichst um ein neues Gebäude zu kümmern. Aber als sich die Leute an den Postdienst dort gewöhnt hatten, verschwand das Vorhaben offensichtlich ein wenig in den Schubladen. 1909 erwarb man für 9000 Reichsmark dann aber ein Grundstück unweit des Bahnhofes. Zwei Jahre später wurde das neue Postamt fertiggestellt. Gekostet hatte es 37 900 Reichsmark. Für einige Zeit genügte es den Ansprüchen, bis die Diskussion erneut aufflammte, weil schon wieder Raumnot herrschte. Es musste ein neues her. Diesmal aber wollte man aber nicht schon wieder ein Wirtshaus umgestalten.
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