Bekommt ein Theaterensemble schon in der ersten Viertelstunde der Premiere dreimal Applaus auf offener Szene, darf das als großer Erfolg gelten. Den hat sich die Theatergruppe Shalom Amitié mit ihrer Herbstproduktion „Es war einmal …. Alles anders“ mehr als verdient. Premiere war am Samstag, ohne eine Hauptperson: Regisseur Bernhard Neumann hat’s nicht gesehen. Der Theatermann stand zeitgleich auf der Bühne von „Tannöd“ im Kettelerhaus. Neumann konnte sich jedoch auf seine Wiesauer verlassen. „Das sind alte Hasen. Die machen das“, sagte er am Ende bei der Verbeugung. Dazu hatte er es gerade noch rechtzeitig geschafft.
Klassische Märchengesetze wie „Und der Prinz rettete seine Prinzessin“, das machen auf der Wiesauer Bühne die Prinzessinnen nicht mehr mit. Das bringt die Prinzen in Not, sind sie doch ausgesandt, eine Prinzessin zu erretten. Das Stück „Es war einmal….alles anders“ von Autorin Nina Lange setzt sich mit Gendern, Vorurteilen und althergebrachten Geschlechterrollen auseinander. Die Theatergruppe Shalom Amitié legt eine Spielfreude aufs Parkett, die ansteckend wirkt. Überzeichnete Figuren, skurrile Prinzen, eigensinnige Prinzessinnen und Tiere, die in Menschen verwandelt werden wie Oskar (herrlich amüsant dargestellt von Lea Plonner) machen diese Inszenierung zu einem Erfolg.
Alles beginnt mit dem 25. Geburtstag der Zwillinge Prinz Leander (wunderbar: Herbert Schicker) und Prinzessin Lenore (Wirbelwind Jessica Hösl). Beide müssen Abschied nehmen, befiehlt das Märchengesetz: Lenore muss entführt und gerettet werden von einem Prinzen. Leander muss eine Prinzessin erretten. Dann passiert es: Der Rattenfänger (Uli Stummreiter) entführt versehentlich Prinz Leander. Der folgt ihm und wird ganz klassisch vor dem Drachen gerettet – von einem Prinzen namens Philippe (souverän Silke Schicker). Das Malheur nimmt seinen Lauf: Die beiden Männer können sich nicht mehr trennen. Sie sind aufgrund des Märchengesetzes für immer verbunden.
Nur konnte dieses Gesetz diesmal nicht unterscheiden, ob hier Prinzessin oder Prinz gerettet wird. Um sich selbst zu retten durchstreifen die beiden Männer die Märchenwelt. Und es ist alles anders, als das Publikum zunächst denkt. Tatsächlich treffen sie auf ihrer Reise auf Prinzessinnen. Aber Tilda (selbstbewusst: Lea Zwerenz) bleibt lieber bei Ungeheuer Otto, dem Oger (Michael Holm in der liebenswerten Kopie eines Orks). Immer im Schlepptau ist Oskar, das tollpatschige Pferd, das für viele Lacher sorgt. Witwe Wiebke (schöne Darstellung von Maria Senoldu) mimt die weise Märchenfrau. Sie schickt das Trio durch verzauberte Märchenwelten.
Regisseur Bernhard Neumann setzt auf eine moderne Kulisse aus puristischen Elementen, die den teils bunt-schrill auftretenden Darstellern Raum lässt. Die Kostüme sind ein Hit: Etwa die drei Feen, die laut und frech gute Laune und Seifenblasen gleichzeitig versprühen. Wer den bösen Wolf erwartet hat Pech gehabt. Dieser Wolf (Stimmtalent Claudia Welzel) spricht wie Bully Herbigs "Winnitouch" in „Das Kanu des Manitu“.
Am Ende ist es eine Frau (Prinzessin Lanzelotte, gut gespielt von Laura Hopperdietzel), die den weiblichen Märchenwesen, die keinen Bock mehr auf „Prinzessinnen“-Rollen haben, bei der Befreiung hilft. Wie Prinz Leander von Prinz Philipp loskommt, wird nicht verraten. Hut ab vor dem gut 40-köpfigen Shalom-Amitié-Ensemble vor und hinter der Bühne, das Regeln ohne erhobenen Zeigefinger, aber mit großer Spielfreude bricht. Wer es selbst erleben möchte: Es gibt Restkarten für Freitag, 21. November, und Samstag, 22. November, jeweils 20 Uhr im Pfarrzentrum Wiesau.



















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