Windischeschenbach
27.10.2019 - 11:42 Uhr

Ameisenlöwe errichtet Todesstreifen

Wo sonst Musiker, Kabarettisten, Instrumentalisten oder vielleicht auch Buchautoren Applaus einheimsen, nämlich im Schafferhof, sind plötzlich ganz kleine Tiere die großen Stars des Abends. Dank Thomas Stock.

von fsb
Bezaubernde Tieraufnahmen aus dem Film von Thomas Stock. Hier ist eine Wanze der Star. Bild: Schönberger, Ferdinand [fsb]
Bezaubernde Tieraufnahmen aus dem Film von Thomas Stock. Hier ist eine Wanze der Star.

Der Multikünstler zeigte vor begeisterten Naturfreunden seine 45-minütige Filmproduktion „Ein Streifzug durch die Insektenwelt des Herbstes im Mittleren Oberpfälzer Wald“. Mit Landschafts- und Wolkenbildern, Drohnen- und vor allem Nahaufnahmen, zum Teil in Zeitlupe und Zeitraffer gedreht, stellte er vor, was er über Jahre mit viel Geduld und Können geschaffen hat.

Für die Insekten bedeutet der Herbst nicht mehr optimale Bedingungen. Aber immer noch gibt es zu dieser Jahreszeit bestimmte, wenn auch oft zaghafte Blütenpflanzen, sei es im stillgelegten Steinbruch, auf der Trockenwiese an der Pfreimd, am Weiher oder auf einer Blumenwiese, die nach dem Laubfall noch einmal ein zartes grünes Kleid bekommen hat. Erst Ende Oktober, wenn erste Fröste einsetzen, sind die meisten Insekten im Erdboden verschwunden. Ihre Art übersteht die kalte Jahreszeit als Ei, Larve, Raupe oder Puppe. Und wer als Insekt überwintert, packt nochmals Wärme ein.

Der Film zeigt viele noch nie gesehene Verhaltensweisen dieser Tiere. Da fegen Bläulinge mit schnellem Flügelschlag Wespen von der Blüte des Rainfarns, da kämpfen Feuerfalter mit Artgenossen und anderen Insekten um Pollen und Nektar, da werden Libellen bei der Hochzeitszeremonie und der Eiablage beobachtet, dort errichtet der Ameisenlöwe mit seinen Geschwistern zum Fangen von Ameisen oder Fleischfliegen einen Todesstreifen, da wird er aber auch selbst zur Beute großer Ameisen, wenn er diese nicht gleich mit seinen Zangen packt. Am gärenden Fallobst eines Apfelbaumes saugt eine Hornisse „bestes Flugbenzin“ auf, hat dann aber berauscht Probleme beim Weiterflug. Eine Sandwespe transportiert beim Nestbau Unmengen Erdaushub weg, legt von ihr mit Gift gelähmte Raupen für den Nachwuchs in das Erdloch, und verschließt es mit Steinchen und Sand.

Für Thomas Stock aus Vohenstrauß, auch als studierter Jazz-Musiker und Schlagzeuger kein Unbekannter, ist Naturfilmen die große Leidenschaft. Sein Spezialgebiet sind die heimischen Insekten. Doch ihn interessiert alles, was bei uns so kreucht und fleucht. Mit seinen faszinierenden Aufnahmen versucht er Begeisterung für unsere Tierwelt zu wecken. "Denn nur was man kennt und schätzt, schützt man auch." Seit drei Jahren arbeitet er an einer Film-Trilogie über die Insektenwelt unserer Heimat, zu der er selbst die Musik und die Geräusche im Tonstudio komponiert und den informativen Sachtext spricht.

Voraus gingen viele Jahre intensiver Beschäftigung und Beobachtung. 2018 nahm er erstmals an dem europaweiten renommierten NaturVision-Festival in Stuttgart teil. Dort wurde Stocks Rohversion seines „Frühlingsfilms“ unter 260 professionellen Einsendungen zu den 40 sehenswertesten Naturfilmproduktionen des letzten Jahres gekürt und im Oktober 2018 auch bei den „NaturVision-Filmtagen im Besucherzentrum des Nationalparks in Neuschönau (Bayerischer Wald) als Freiluftkino präsentiert. Zur Zeit bearbeitet er dessen Endfassung und konnte nach vier Jahren Aufnahmezeit endlich die gewünschten Szenen für seinen „Sommerfilm“ zum Abschluss bringen. Beide Filme werden im nächsten Frühjahr erscheinen.

Im Anschluss an die Filmvorführung beantwortete der Naturfilmer Fragen zum Film sowie zur Kameraführung, Aufnahmetechnik und Postproduktion. Er beklagte das größte Artensterben heutzutage seit 65 Millionen Jahren, bei dem nicht die Dinosaurier, sondern wir Menschen am Ende der Nahrungskette stünden. Breitbandgifte würden sich beim Versprühen und durch Niederschlagswasser auch auf die Blumen in geschützten Nachbarflächen verteilen und verhaltensgestörte und impotente Insekten bewirken.

Für die weitere Entwicklung sieht er angesichts der Globalisierung und Lobbysierung schwarz. Eine Chance gäbe es vielleicht dann noch, wenn mindestens die gesamte EU und die USA ökologisch nachhaltig produzieren und nur solche Waren importieren würden. In seinen Filmen will er jedoch hauptsächlich die noch bestehenden biologischen Nischen mit ihrer Schönheit darstellen.

Der Vohenstraußer Naturfilmer Thomas Stock bei der Präsentation seines Films im Schafferhof. Bild: Schönberger, Ferdinand [fsb]
Der Vohenstraußer Naturfilmer Thomas Stock bei der Präsentation seines Films im Schafferhof.
Bezaubernde Tieraufnahmen aus dem Film von Thomas Stock. Hier ist eine Libelle der Star. Bild: Schönberger, Ferdinand [fsb]
Bezaubernde Tieraufnahmen aus dem Film von Thomas Stock. Hier ist eine Libelle der Star.
Bezaubernde Tieraufnahmen aus dem Film von Thomas Stock. Hier steht ein Schmetterling im Mittelpunkt des Interesses. Bild: Schönberger, Ferdinand [fsb]
Bezaubernde Tieraufnahmen aus dem Film von Thomas Stock. Hier steht ein Schmetterling im Mittelpunkt des Interesses.
 
Kommentare

Um Kommentare verfassen zu können, müssen Sie sich anmelden.

Bitte beachten Sie unsere Nutzungsregeln.

Klicken Sie hier für mehr Artikel zum Thema:
Zum Fortsetzen bitte

Sie sind bereits eingeloggt.

Um diesen Artikel lesen zu können, benötigen Sie ein OnetzPlus- oder E-Paper-Abo.