Zunächst schien es eine Jahresabschlusssitzung zu werden wie jede andere auch. Rosi Witt und Brigitte Kreinhöfner hatten den Sitzungssaal weihnachtlich dekoriert und an die Ratsmitglieder kleine Naschereien verteilt. Auch die offiziellen Tagesordnungspunkte wie die Stellungnahmen zur 7. Änderung des Bebauungsplans Windischeschenbach-Mitte und die Informationen über den Architektenwettbewerb zum Neubau der Grund- und Mittelschule waren schnell erledigt.
Bevor es zum nicht-öffentlichen Teil der Sitzung ging, wollte Stadtkämmerer Thomas Krapf noch einige Worte loswerden. Er bezog sich auf das Abstimmungsverhalten in der November-Sitzung, in der Freie Wähler und Grüne gegen die Entlastung der Jahresrechnung gestimmt hatten. Es habe einst bei der Präsentation der Jahresrechnung 2021 im Stadtrat ausreichend Gelegenheit gegeben, nachzufragen und Unstimmigkeiten zu klären, sagte Krapf. Doch dies sei nicht geschehen, das Gremium habe die Jahresrechnung einstimmig abgesegnet. Auch im Rechnungsprüfungsausschuss, den Krapf begleitete, seien keine Fragen aufgetaucht. "Alle Mitglieder haben unterschrieben", sagte er. Deshalb sei er sehr verwundert gewesen, dass plötzlich drei Räte gegen die Jahresrechnung und fünf gegen eine Entlastung gestimmt haben. Eine Verweigerung sei ein Zeichen des Misstrauens gegen die Finanzwirtschaft. "Sie stellen uns alle unter Generalverdacht", gab Krapf zu bedenken.
Markus Herrmann von den Freien Wähler beteuerte daraufhin, dass seine Partei nichts gegen den Stadtkämmerer und auch nichts gegen Geschäftsleiter Markus Kindsgrab habe. "Sie genießen unser vollstes Vertrauen", sagte er. Der Grund für die Verweigerung sei seiner Meinung nach ein "rechtswidriger Beschluss", den der Stadtrat 2021 in einer nicht-öffentlichen Sitzung getroffen habe. Die Schuld dafür liege ursächlich beim Bürgermeister, so Herrmann, der der Stadt damit einen finanziellen Schaden zugefügt habe. Der Beschluss sei rechtswidrig, seine Partei habe Beschwerde bei der Rechtsaufsichtsbehörde eingereicht, die das weitgehenst so bestätigt habe, gibt er kund.
Bürgermeister Karlheinz Budnik fiel aus allen Wolken. "Diese Anschuldigung ist eine bodenlose Frechheit", sagte er. Zum einem sei dieser Beschluss nur zustande gekommen, weil sämtliche Stadträte von CSU und SPD sich dafür ausgesprochen haben. Zum anderen habe das Landratsamt den Beschluss zwar überprüft, ihn aber nicht aufgehoben. Mit der Notarurkunde verhalte es sich ebenso. "Die Unterstellung, ich sei alleinig schuld daran, lasse ich nicht auf mir sitzen", wetterte Budnik. "Das Maß ist voll. Ich werde mich rechtsanwaltlich beraten lassen." Im Laufer der Auseinandersetzung fielen auch noch die Worte Vertragsbruch und Notartermin. Was jedoch die Freien Wähler im Detail so erzürnte, war dem Disput nicht zu entnehmen.
Geschäftsleiter Markus Kindsgrab, der den Schlagabtausch aufmerksam verfolgte, merkte dazu nur an: "Weder ein Gericht noch eine andere behördliche Institution hat in dieser Angelegenheit einen Schaden festgestellt", sagte er.
Was war zu Beginn des Jahres 2021 vorgefallen? Auf Nachfrage wollte sich weder der Bürgermeister noch der Sprecher der Freien Wähler über Einzelheiten äußern. Wer die Windischeschenbacher Stadtpolitik jedoch aufmerksam verfolgt, dürfte bei dem Thema Notartermin hellhörig geworden sein.
Die Firma Rabe Bike hat im Januar 2021 ein Grundstück im Gewerbegebiet gekauft, um dort ihr neues Logistikzentrum zu errichten. Das ist kein Geheimnis. Die Gebäude stehen mittlerweile und sind kurz vor der Fertigstellung. Nach Recherchen von Oberpfalz-Medien sollen die Vermarktungsrechte des Areals damals noch bei einer Nachbarfirma gelegen haben.
Als Rabe Bike mit dem Wunsch, sich in Windischeschenbach anzusiedeln, 2020 bei der Stadt vorgesprochen hat, gingen die Überlegungen des Bürgermeisters sofort in Richtung des besagten freien Grundstücks in Neuhaus. Die Vermarktungsfirma hatte wohl andere Pläne zu diesem Zeitpunkt und pochte auf Einhaltung des Vertrags, obwohl sich vier Jahre lang auf dem Gelände nichts getan hat. In jener nicht-öffentlichen Stadtratssitzung im Januar 2021 entschlossen sich CSU und SPD lieber eine fünfstellige Vertragsstrafe in Kauf zu nehmen, als das Logistikzentrum ziehen zu lassen.
Die Aussicht, ein renommiertes Unternehmen am Ort zu haben, das mindestens 60 Arbeitsplätze bietet, und Gewerbesteuer zahlt, war für die Stadträte von CSU und SPD damals der entscheidende Faktor, sich trotz Vertragsstrafe für den Grundstückskauf an Rabe Bike zu entscheiden. Freie Wähler und Grüne hatten wohl dagegen gestimmt und damit in Kauf genommen, dass sich Rabe an einem anderen Standort im Landkreis ansiedelt. Laut den Informationen, die der Bürgermeister in der Bürgerversammlung bekanntgegeben hat, waren Luhe-Wildenau, Altenstadt/WN und Pressath im Gespräch.
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