Winklarn
25.07.2024 - 15:56 Uhr

Winklarn erhält Denkmalschutz-Medaille für Sanierung des Thammer-Anwesens

"Heimatliebe in der allerschönsten Form": Mit diesem Kompliment darf sich jetzt das Thammer-Anwesen in Winklarn schmücken. Die lobenden Worte kommen mit einem Denkmalpreis, bei dem auch Baustoffe wie Hanf eine Rolle spielen.

Der Markt Winklarn, vertreten durch Bürgermeisterin Sonja Meier, ist am Mittwoch mit der Denkmalschutz-Medaille 2024 ausgezeichnet worden. Verdient hat sich die Kommune diesen Preis durch den Einsatz bei der Instandsetzung des Brauereigasthofs „Zum Goldenen Löwen“, in der Region besser bekannt als Thammer-Anwesen. Das Gebäude am Marktplatz 5 gilt als prägend fürs Ortsbild. „Weder vom desolaten Zustand noch von der in Teilbereichen bestehenden Einsturzgefahr ließ sich die Gemeinde entmutigen, die charakteristische Identität des Baudenkmals zu retten und zu bewahren“, so Kunstminister Markus Blume in der Laudatio.

Im Herzen von Winklarn seien so seniorengerechte Wohnungen und Appartements entstanden, ein Seniorentreff sowie im Obergeschoss im ehemaligen Saal der Gaststätte ein Veranstaltungsraum für Bürger und Vereine. Bürgermeisterin Sonja Meier habe durch ihren unermüdlichen Einsatz maßgeblich zum Gelingen des Projektes beigetragen, lobte der Minister und betonte vor allem einen Aspekt, der dem Markt Winklarn die Medaille eingetragen hat: die besonderen Verdienste für den Klimaschutz. Denn bei der Instandsetzung wurden regionale, nachhaltige und klimafreundliche Baustoffe aus einem Umkreis von maximal 50 Kilometer benutzt. Oberpfalz-Medien hat nachgefragt, wo der zuständige Architekt fündig geworden ist, warum diese Baustoffe wichtig sind und was die früheren Eigentümer heute über ihr nun preisgekröntes Elternhaus denken.

Hanf als Dämmstoff

Glasschaumschotter aus Mitterteich sorgt in Winklarn jetzt für den Unterbau des Fußbodens in dem früheren Gasthof in Winklarn, das Recycling-Material ist wärmedämmend. Fürs Dach hat der für die Sanierung zuständige Architekt Christian Schönberger Hanf als Dämmstoff gewählt. Als Stopfhanf kam der Baustoff auch beim Einbau der Kastenfenster zum Tragen, geliefert wurde er aus der Umgebung von Tirschenreuth. Aus der Glashütte Lamberts aus Waldsassen kamen Gläser. Auch der Flossenbürger Granit musste nicht weit reisen, um hier verbaut zu werden. Ähnlich ging es dem Bodenbelag aus Holz: Die Tannen dafür stammen aus der Region Cham.

„Die Denkmalpflege hat eigentlich die Nachhaltigkeit erfunden“, sagt der Oberviechtacher Architekt, der sich seit rund 15 Jahren im Denkmalschutz engagiert und maßgeblich an der Material-Auswahl beteiligt war. Für ihn liegt es auf der Hand, warum Nachhaltigkeit so wichtig ist. „Wir haben gar keine andere Chance“, stellt er mit Blick auf Klima und umweltverträgliche Baustoffe klar. „Wer Gebäude besitzt, die in den letzten 20, 30 Jahren gebaut wurden, der vererbt eigentlich Sondermüll“, gibt der Architekt zu bedenken. „Irgendwann wird da die Entsorgung teurer als die Herstellung sein“, warnt er angesichts einer Unmenge an verbauten Schadstoffen und plädiert dafür, zu „bauen wie die Vorfahren“.

Er vergleicht diesen Weg mit dem Trend in der Küche, wo auf saisonal und regional gesetzt wird. „Unsere Vorfahren haben uns vorgemacht, wie das geht, aber wir haben es verlernt“, bedauert der Fachmann. Das liege auch an der Industrie, die uns ungesunde „technische Lösungen schmackhaft gemacht“ habe, mit Folgen: „Da wurde dann ein PVC-Boden über Holzbohlen gelegt, kein Wunder, dass die dann gefault sind“. Inzwischen sei man mit Baumaterialien von anno dazumal wie Hanf auch im Neubau gut unterwegs, berichtet Schönberger.

Hüter der Geschichte

Welche Rolle tradierten Methoden zukommt, war auch Thema bei der Preisverleihung. „Ein Land ohne Denkmäler ist ein Land ohne Gedächtnis“, merkte der Generalkonservator und Leiter des Bayerischen Landesamts für Denkmalpflege, Professor Mathias Pfeil, bei dieser Gelegenheit an. „Es erfüllt mich mit Freude, dass so viele Menschen in Bayern das kulturelle Erbe des Freistaats Bayern als Teil ihrer Identität betrachten“, erklärt er in einer Pressemitteilung des Ministeriums und bezeichnet darin die insgesamt 16 Preisträger als „die wahren Hüter unserer Geschichte und die besten Botschafter für Denkmalpflege“.

„Denkmalpflege ist Heimatliebe in der allerschönsten Form“, pries Kunstminister Markus Blume die herausragenden Beispiele. Er zeigte sich überzeugt, dass die Anstrengungen in diesem Bereich über das Bewahren der kulturellen Schätze hinaus gehen, hier handle es sich um eine Lebenseinstellung.

Anklang findet die Sanierung des Winklarner Gebäudekomplexes aber nicht nur bei der Jury für die Denkmalschutz-Medaille, sondern auch bei den früheren Bewohnern. „Gratuliere herzlichst,“ lässt Sissy Thammer über Oberpfalz-Medien der Marktgemeinde ausrichten. „Dass Winklarn diesen Preis bekommen hat, wundert mich nicht“, erklärt die Kultur- und Veranstaltungsmanagerin, die in dem großen Gutshof mit Brauerei aufgewachsen ist. „Mein Bruder und ich, wir sind sehr glücklich über diese Lösung mit Begegnung, Tradition und Kultur unter einem Dach“, so die 70-Jährige. „Dieser Preis ist hochverdient“, stellt sie klar. „Hier wurde mit großer Behutsamkeit und großem Geschmack der Originalzustand wieder hergestellt.“ Heute schwärmt sie von einer herrlichen Jugend zwischen den nun denkmalgeschützten Mauern.

Da werden Erinnerungen wach an ganz viele Zimmer. An Wäscheschränke, so groß, dass man drinnen wohnen konnte. An Bierfässer, die auch als Bett zu gebrauchen waren. Mit dem Happy End ihres Elternhauses sei sie ebenso zufrieden wie ihr Bruder Johannes, der das Anwesen 2012 für den symbolischen Preis von einem Euro an die Kommune verkauft hat. „Wenn ich reinkomme, spüre ich den alten Geist des Hauses noch“, sagt Sissy Thammer, „einen Geist der traditions- und standesbewusst war, aber auch offen und liberal“.

Hintergrund:

Thammer-Haus/ehemaliger Gasthof "Zum Goldenen Löwen"

  • Baujahr: 19./20. Jahrhundert
  • Besitzer: bis 2012 Familie Thammer, dann Marktgemeinde Winklarn
  • Sanierung: ab 2015 Planung, 2017 Projektstart, 2020 Einweihung
  • Kosten: rund 2,8 Millionen Euro
  • Projektbeteiligte: Schönberger Architekten Oberviechtach, ALS-Ingenieure Amberg, Landesamt für Denkmalpflege (Beratung)
  • Nutzung: ehemals Brauereigasthof; jetzt seniorengerechte Wohnungen und ein Apartment zum Vermieten im Westflügel; Ostflügel für gesellschaftliches Leben in und um den Markt mit „Anlaufstelle für ältere Menschen; Treffpunkt und Begegnungsstätte
  • Preis: Denkmalschutzmedaille 2024 für Instandsetzung (Bauabschnitt 1); Auszeichnung in der Kategorie Klimaschutz für Verwendung regionaler und nachhaltiger Baustoffe
 
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