Wunsiedel
07.06.2022 - 17:05 Uhr

Technologie-Campus für Wunsiedel

Die Festspielstadt Wunsiedel soll bald zur Wissenschaftsstadt werden. Ministerpräsident Markus Söder verspricht eine weitreichende Förderung.

Ministerpräsident Markus Söder versprach beim Besuch in Wunsiedel, mit dem Future-Energy-Lab einen Technologie-Campus zu entwickeln. Bild: Florian Miedl/fph
Ministerpräsident Markus Söder versprach beim Besuch in Wunsiedel, mit dem Future-Energy-Lab einen Technologie-Campus zu entwickeln.

Mehrmals sichert Ministerpräsident Markus Söder bei seinem Besuch in Wunsiedel zu, hier mit dem Future-Energy-Lab einen Technologie-Campus zu entwickeln. Der Freistaat wolle die Forschungseinrichtung mit „nicht wenig Geld“ unterstützen. „Es wird auf alle Fälle was G’scheits.“

Während seines kurzen Rundgangs durch den Energiepark Wunsiedel ist Söder regelrecht erschlagen von all der Technik. Als Andreas Schmuderer, Leiter der Sparte Energy-Performance bei Siemens, das Herzstück, den Elektrolyseur zur Produktion von kohlendioxid-neutralem Wasserstoff, erläutert, unterbricht ihn Söder: „Erklären Sie uns das nicht so, als wären wir bei Ihnen im Studium“.

Dem Ministerpräsidenten geht es weniger um technische Details als um das große Ganze der Energiewende. Das geballte Wissen, wie die Jahrhundertaufgabe gelingen könne, sieht er bayern-, wenn nicht europaweit in Wunsiedel vereint. Vor 20 Jahren haben der Chef der Stadtwerke SWW, Marco Krasser, und der seinerzeitige Bürgermeister Karl-Willi Beck den „Wunsiedler Weg“ eingeschlagen, der auf eine komplette Energieversorgung aus regenerativen Quellen setzt. Mittlerweile hat sich daraus ein Energie-Netzwerk aus Wind- und Sonnenenergie-, Biomasse, Kleinkraftwerken, Batteriespeicher, Wasserstoff-Produktion, Geschäftsmodellen sowie IT-Lösungen für die Netzsteuerung entwickelt.

Nun erhält die 9200-Einwohner-Stadt einen einzigartigen Technologie-Campus. Wissenschaftsminister Markus Blume und Ministerpräsident Markus Söder jedenfalls sind angetan von einem ersten Konzept für die Forschungsstätte, das sie vor Kurzem aus Wunsiedel erhalten haben. „Wir wollen die Wunsiedler Erfolge jetzt mit dem Future-Energy-Lab auch für andere ausrollen“, sagt Söder bei seinem Besuch in Wunsiedel. Das Energy-Lab oder mittlerweile der Technologie-Campus ist laut Ministerpräsident entscheidend, damit die Digitalisierung der Energiewende ebenso vorankommt wie die Wasserstoffverteilung und -nutzung sowie die nachhaltigen Netze der Zukunft. Das Future-Energy-Lab entstehe aus einer Zusammenarbeit von Staat, Wissenschaft, Wirtschaft und Kommunen. Ziel sei eine Forschungseinrichtung, die Lösungen insbesondere für die Städte und Gemeinden, aber auch für die Wirtschaft erarbeite.

Die Organisation des Campus, also welche Gesellschaftsform die beste ist und welche Gesellschafter beteiligt sind, steht noch nicht endgültig fest. Offenbar gibt es dafür mehrere Modelle. Auch ein konkreter Zeitplan, wann die Wissenschaftler in Wunsiedel loslegen, fehlt noch. Zunächst feilen die Beteiligten aus der Stadt Wunsiedel, der SWW, dem Siemens-Konzern, der Universität Bayreuth und den Hochschulen Amberg-Weiden und Hof noch einmal an letzten Formulierungen. Letztlich müssen die Experten des Wissenschaftsministeriums das Vorhaben absegnen. Dass sie dies tun, dürfte allein angesichts der konkreten Zusagen des Ministerpräsidenten keine Frage sein. Allerdings ist das Papier laut Söder eine Grundlage für die Frage, mit wie viel Geld der Freistaat sich beteiligt.

Wie Markus Söder sagte, will der Freistaat schnell unabhängig von Energie aus Russland werden. „Dabei spielt Wasserstoff die entscheidende Rolle.“ Bayern werde den Energieträger nicht nur importieren, sondern einen großen Teil selbst produzieren. „In Wunsiedel wird die bedeutendste und größte Anlage in Europa gebaut.“ Auch diese unterstütze der Freistaat gerne.

Wenn Wissenschaftler oder Bürgermeister, die sich mit regenerativen Energien beschäftigen, den Namen Wunsiedel hören, haben sie ein Bild vor Augen: Einen weitläufigen Industriepark, der immer weiter wächst und wächst. Wie Bürgermeister Nicolas Lahovnik beim Besuch von Ministerpräsident Markus Söder sagt, rufen wöchentlich Stadtoberhäupter aus ganz Deutschland an, die in Wunsiedel die vorweggenommene Energiezukunft betrachten wollen. Delegationen aus aller Welt sahen sich bereits in der Stadt um und wollten erleben, was in Wunsiedel in Sachen Energie anders läuft als andernorts.

In einiger Zeit muss der Chef der Stadtwerke SWW, Marco Krasser, die Gäste nicht mehr immer selbst führen: Da Söder willens ist, in der Festspielstadt einen Technologie-Campus aufzubauen, werden sich in Zukunft auch andere Experten um die Wissbegierigen kümmern.

Im Technologie-Campus werden Wissenschaftler unterschiedlicher Disziplinen ausgehend von den praktischen Erfahrungen aus Wunsiedel an der Energiezukunft forschen. Dabei geht es unter anderem um Fragen der Digitalisierung, des Rechts und der Physik. Auch das Thema künstliche Intelligenz (KI) nimmt eine zentrale Rolle ein.

Der Technologie-Campus soll zugleich eine Service-Einrichtung für Kommunen und Unternehmen werden. Letztlich soll in Wunsiedel so etwas wie die Denkfabrik für die bayerische oder gar deutsche Energiewende entstehen.

Auf Nachfrage der Frankenpost sagt Dieter Brüggemann, Inhaber des Lehrstuhls für Thermodynamik an der Universität Bayreuth, dass er von einer zweistelligen Zahl an Wissenschaftlern ausgeht, die künftig in Wunsiedel forschen werden. Da die SWW ihr komplexes Energienetzwerk für Forschungszwecke zur Verfügung stelle, sei die gesamte Stadt mittlerweile eine Art Labor. „So etwas lässt sich an der Universität gar nicht realisieren.“

Brüggemann will zwar nichts versprechen, aber zumindest theoretisch ist in ferner Zukunft ein eigener Lehrstuhl der Universität in Wunsiedel denkbar. Schon heute arbeiten um die 20 Universitäten und Hochschulen mit der SWW in Forschungsprojekten zu unterschiedlichsten Fragen zusammen.

 
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