Im Stadion aus der Distanz sah diese Szene in der 24. Minute im finalen Champions-League-Gruppenspiel zwischen dem FC Bayern und Tottenham auf den ersten Blick eher nach einer Mischung aus Tollpatschigkeit und missglückter Koordination aus. Der Anblick der TV-Bilder ließ nach Spielschluss aber bei jeder Wiederholung ein leidendes Raunen durch die Mixed-Zone tönen. Es schmerzte schon allein vom Hinsehen, wie es Kingsley Comans linkes Bein beim Versuch einer Ballannahme nach hinten durchstreckte und den Franzosen im hohen Bogen über die Seitenlinie regelrecht katapultierte. „Ich glaube, er dachte im ersten Moment auf jeden Fall, dass etwas kaputt ist. Deswegen war ich auch so erschrocken, als ich in seine Augen geguckt habe“, sagte Joshua Kimmich, der als einer der ersten bei Coman war. Wieder Coman! Nicht schon wieder Coman! Der Schreck unter den Bayern-Fans war im Stadion allerorten spürbar. Bereits in der vergangenen Saison war der pfeilschnelle Flügelstürmer wegen zwei Syndesmosebandrissen länger ausgefallen. Auch Kimmich dachte sofort an die Leidensgeschichte seines Mitspielers: "Das hat mich ein bisschen daran erinnert, als er damals gegen Hoffenheim gefoult wurde und dann am Boden lag. Damals ist er auch sehr lange ausgefallen, hat die WM mehr oder weniger deswegen verpasst.“ Kreuzbandriss, totaler Knieschaden, Karriereende? Die drei tragischen "K" traute sich niemand auszusprechen, doch alle wussten eigentlich, was kommen musste.
Noch während des Spiels wurde Coman, abgeschirmt von Security-Personal und auf Krücken, in die Praxis von Bayern-Arzt Dr. Hans-Wilhelm Müller-Wohlfarth gebracht. Der eilte nach Spielschluss sofort hinterher. "Es ist noch nicht sicher. Es gibt jetzt noch eine weiterführende Untersuchung", ließ er sich lediglich im Vorbeigehen entlocken. Als auch Trainer Hansi Flick auf der Pressekonferenz mit trauriger Miene sagte, dass "ein Schatten" über dem 3:1-Sieg gegen die Engländer und dem Rekord, als erster deutscher Klub alle sechs Vorrundenspiele gewonnen zu haben, liege, warteten alle nur mehr auf die Bestätigung einer der drei "K"-Diagnosen. Erst Sportdirektor Hasan Salihamidzic versprühte wieder etwas Hoffnung. "Ich bin ein grundsätzlich positiv denkender Mensch und hoffe, dass es vielleicht doch nicht ganz so schlimm ist. Ich habe gerade erst mit unserem Doc gesprochen." Auf dem Weg aus dem Stadion ließ auch Interimstrainer Flick noch kurz wissen, dass es "wahrscheinlich nicht ganz so dramatisch" ist – da wusste er vermutlich schon mehr. Denn um kurz nach Mitternacht verschickte der FC Bayern die Diagnose: Kapseleinriss im linken Knie (ein nicht ganz so schwerwiegendes "K"), Zerrung der Bizepssehne und Stauchung des Kniegelenks. Der Stein, der Salihamidzic, Flick und Co. vom Herzen fiel, war im sich leerenden Stadion-Areal deutlich zu vernehmen. Und doch wird Coman den Bayern in den drei letzten Liga-Spielen des Jahres gegen Bremen, in Freiburg und gegen Wolfsburg fehlen. Nach der Winterpause soll der Franzose aber bei der Aufholjagd in der Liga und dem Titelstreben im Pokal und in der Königsklasse wieder mitwirken. Glück im Unglück für Coman und die Bayern.















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