Deutschland rätselt? Wer oder was hat schuld, dass die Nationalmannschaft schon wieder früh bei einem großen Turnier gescheitert ist? War es die Dreierkette? War es der fehlende Teamgeist? War es nur die Formschwäche vieler Spieler? Es läuft etwas schief, sagen viele, und dazu gehört auch Thomas Kost. Der gebürtige Neustädter war jahrelang Talentscout für den FC Arsenal und auch im Trainerbereich tätig. Auch weiterhin sichtet der 52-jährige Oberpfälzer junge Fußballer, denen er zutraut, eine Profikarriere einzuschlagen.
"Spielkultur keine Priorität"
Natürlich war auch Kost, der zusammen mit seinem Bruder Jürgen die Fußball Datenbank ISB in Neustadt/WN betreibt, vom Auftreten der Löw-Elf enttäuscht, gewisse Entwicklungen hat er aber kommen sehen. In einem Interview mit dem Portal "Zeit online" analysierte er die Entwicklung der vergangenen Jahre, die in einem erneuten frühen Scheitern mündete. "Deutschland hatte gute Solisten, jeder beherrschte sein Instrument" erklärt der Wahl-Berliner, "aber ein Ensemble wurde bei dieser EM nicht daraus." Das sei sicherlich auch ein Versäumnis des Trainers - aber nicht nur. "Spielkultur hat bei uns seit Jahrzehnten keine Priorität." In Deutschland werde bei den Analysen meist nur über das Verteidigen gesprochen. Aus seiner Zeit in England wisse er, dass es auf der Insel ähnlich sei. "Auch da gibt es keine einheitliche Spielidee." Die Spanier beispielsweise würden den technischen Kombinationsfußball bevorzugen, auch wenn sie jetzt nicht mehr die überragenden Einzelspieler wie vor zehn Jahren hätten. Dass die deutsche Nationalmannschaft trotz vieler Defizite über Jahrzehnte oft in Halbfinals oder Endspielen bei Turnieren stand, erklärt Kost damit, dass sie vieles mit Leidenschaft und Disziplin wettgemacht hätte."
Götze kaputtgemacht
Der Fehler hierzulande liege auch im System, erläutert Kost im Onlineportal der Wochenzeitung. "Der deutsche Fußball hat bessere Spieler als viele andere, aber er macht zu wenig aus seinen Talenten." Mario Götze beispielsweise sei ein begabter Fußballer im besten Fußballeralter, aber sei kaputtgemacht worden. Der WM-Star von 2014 habe oft auf der falschen Position spielen müssen. Auch, dass die deutschen Vereinsteams viel zu unterschiedlich agieren würden, habe Folgen. "Die Bundesliga ist ein wilder Mix aus vielen Elementen." Und die Liga habe nun mal enormen Einfluss auf die Nationalmannschaft. "Da passen die Einzelteile dann nicht mehr zusammen. Das macht auch die Aufgabe für jeden Nationaltrainer kompliziert, auch für Löw war das ein Problem."
Hype um Gegenpressing
Nicht viel anfangen kann der Oberpfälzer, der Anfang 2004 für kurze Zeit die Profis der SpVgg Greuther Fürth trainierte und auch in Griechenland tätig war, mit dem Hype um das Gegenpressing. Natürlich sei das ein Mittel, das jede Mannschaft beherrschen und bei Bedarf einsetzen sollte. "Aber in der Bundesliga und in manchen Nachwuchsleistungszentren wütet zurzeit eine Gegen-den-Ball-Manie." Wenn er den Begriff nur höre, täte ihm das Herz weh, klagt Kost. "Ich kann doch nicht nur auf die Fehler des anderen warten", kritisiert er und fordert, das wichtigste Prinzip nicht zu vergessen: "Fußball ist ein Spiel."
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