Im Sommer jubelten hier Tausende von Fans ihren Aufstiegshelden zu, jetzt stehen am Dienstagmittag ein paar Unentwegte auf dem Platz vor der Geschäftsstelle. Zigaretten qualmen, die Köpfe auch. „Heute muss er gehen“, sind sich alle sicher. Drinnen im übervollen Pressekämmerchen bestätigt der Aufsichtsratsboss die Mutmaßungen derer da draußen: Heute muss Michael Köllner gehen. „Im Laufe des Tages“, wie Thomas Grethlein sagte. Co-Trainer Boris Schommers wird vorerst Cheftrainer, Club-Idol Marek Mintal, derzeit bei der U17, wird Co-Trainer.
Früher wurden Trainer beim Club so nebenbei gefeuert, die Entlassung des selbstbewussten Oberpfälzers nach knapp zwei Jahren auf der Trainerbank war etwas komplizierter. Und dies war der Satzung des 1. FC Nürnberg geschuldet.
Dieser Montagabend hatte es in sich. „Wir hatten den Trainer da, wir hatten Bornemann da“, erzählte Grethlein. Neun Aufsichtsräte waren in dieser Nacht wildentschlossen, etwas zu tun, um den Traditionsclub wieder in die Spur zu bekommen. Eines war klar: Sie wollten Köllner loswerden und Bornemann halten. „Wir haben dem Sportvorstand empfohlen, den Trainer zu entlassen“, sagte Grethlein. Doch Bornemann dachte gar nicht daran, verknüpfte sein Schicksal mit dem des Trainers. All die Wochen und Monate vorher hatte er dem Coach den Rücken gestärkt und gesagt, er werde ihn nicht entlassen. Also jetzt umfallen? Das tat Bornemann nicht. „Die Treue zum Trainer ehrt ihn“, sagte Grethlein. Aber das Kontrollgremium entließ daraufhin Bornemann, um auch Köllner entlassen zu können. Das geschah aber erst im Laufe des Dienstags. Marketingleiter Marcus Rößler – er wird heute 50 Jahre alt – musste erst interimsmäßig zum Vorstand bestellt werden. Denn auf dem Entlassungspapier Köllners braucht es neben der Unterschrift von Finanzvorstand Niels Rossow den Schriftzug eines weiteren Vorstands.
Er hat souverän seine Position dargestellt“, meinte Grethlein. „Aber er hat uns nicht mehr überzeugt.“
Es ist nicht nur auf dem Platz derzeit alles etwas kompliziert beim Club. Es läuft viel schief. Auch der Aufsichtsrat habe Fehler gemacht, sagte Grethlein, der Geschäftsführer einer Unternehmensberatung ist. „Wir wollten der Aufstiegsmannschaft einfach Vertrauen schenken“, sagte er zur Kritik, der Club habe es versäumt, erst im Sommer und jetzt im Winter durch Neuzugänge für Auffrischung zu sorgen. Allzu sorglos sei man wohl in die Saison gegangen, blickte er zurück. Der Aufstieg sei überraschend gekommen, vielleicht zu früh: „Aber man nimmt das doch gerne mit, wenn man mit den Großen spielen kann.“ Allzu lange habe man wohl zugeschaut: „Aber jetzt können wir einfach nicht so weitermachen.“ Spätestens nach dem desolaten Pokal-Auftritt beim HSV war klar, dass etwas getan werden müsse. Lange habe das Gespräch am Montagabend mit Köllner gedauert: „Er hat souverän seine Position dargestellt“, meinte Grethlein. „Aber er hat uns nicht mehr überzeugt.“
Die Aufsichtsräte nervte auch, wie Köllner und Bornemann die Serie von 15 Spielen ohne Sieg analysierten. „Wir haben in der Außendarstellung zunehmend ein schlechtes Bild abgegeben.“ Der 60-Jährige spielte dabei auf Interviews an, in denen die sportlich Verantwortlichen immer wieder Schiedsrichter oder den Videobeweis für Niederlagen verantwortlich machten. So etwas könne man einmal machen, aber nicht ständig. Dennoch hätte das Kontrollgremium Bornemann gerne behalten. „Das ist jetzt natürlich ein Kahlschlag bei der sportlichen Kompetenz“, sagte Grethlein kleinlaut.
Sorgfältig will der Club jetzt einen neuen Sportvorstand suchen. Deswegen werde die Angelegenheit etwas dauern, kündigte Grethlein an. Der neue Mann soll sich dann auf die Suche nach einem neuen Trainer machen. Gut möglich, dass dann das sportliche Schicksal des Clubs schon entschieden ist. Jetzt sollen Schommers und Mintal noch retten, was einigermaßen zu retten ist. Letzterer, der immer noch verehrte Torjäger, war am Dienstag schon da: im Club-Museum, hinter einem großen Fenster. Aus Pappe. Das „Phantom“ jubelt. Ein bisschen Spaß könnten sie beim Club derzeit ganz gut gebrauchen.
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