Das Ritual ist im Amateurfußball fest verankert: Wer heutzutage eine Meisterschaft feiert, braucht unbedingt Meister-T-Shirts. Jene Hemdchen, die man nach dem Schlusspfiff flugs überzieht und unleugbar dokumentieren: Wir sind die Champions. Am Sonntag in Vorbach aber warteten alle vergeblich auf den obligatorischen Trikotwechsel. "Für eine Meisterfeier war im Verein kaum etwas vorbereitet. Vielleicht auch deshalb, weil jeder etwas unsicher war, ob's tatsächlich klappt", wagte sich Trainer Michael Kaufmann an einen Erklärungsversuch.
Den Zweckpessimismus hätten sich die Vorbacher schenken können. Es klappte mit dem vorzeitigen Titelgewinn - und wie. Beim 2:0-Sieg gegen Verfolger SpVgg Schirmitz gab ein in der 4. Minute von Jonas Heindl verwandelter Handelfmeter dem Team zunächst die nötige Sicherheit, in der Nachspielzeit machte dann Kaufmann höchstpersönlich den Deckel drauf. Den Schlusspfiff wollten die Vorbacher Spieler gar nicht mehr abwarten. Jubelnd begruben sie den Torschützen unter sich, auf den Rängen feierte die Rekordkulisse von 620 Fans ausgelassen die Aufstiegshelden. "Es ist verrückt, dass wir das geschafft haben. Vor der Saison hätte das niemand von uns erwartet", jubelte Kaufmann und gab zu: "Es herrscht pure Freude und Erleichterung. Die letzten Wochen haben echt viel Kraft und Nerven gekostet. Jetzt ist endlich dieser Rucksack weg."
In der Stunde des Erfolgs tat sich selbst der Trainer schwer, die Gründe für den unerwarteten Höhenflug zu nennen. "Es sind ja fast alles Spieler, die aus Vorbach und Schlammersdorf kommen. Vor zwei Jahren haben sie noch in der Kreisklasse gespielt. Es ist der Wahnsinn, welche Entwicklung sie genommen haben", meinte Kaufmann. "Ich hätte das nicht für möglich gehalten." Er verwies auf die enorme Anteilnahme der Fußballregion am Aufstiegscoup des FC Vorbach: "Am Montagmorgen hatte ich 94 ungelesene Glückwünsche auf dem Handy."
Dass der Trainer einen riesengroßen Anteil am sportlichen Aufwind hat, steht für viele im Verein außer Frage. "Er ist für uns eine glückliche Fügung", sagte Vorsitzender Hans Wiesnet: "Was er aus diesem Haufen gemacht hat, ist unwahrscheinlich." Der FC-Boss lobte vor allem die Rhetorik und Ausstrahlung, die vom Trainer ausgeht: "Michael ist ein Motivationskünstler. Wenn er in der Kabine eine Ansprache hält, bekommt man eine Gänsehaut." Die hatte Wiesnet am Sonntag auch wegen der überragenden Zuschauerkulisse: "Da waren Leute da, die waren noch nie auf dem Fußballplatz."
Wie die Vereinshistorie belegt, spielte der FC Vorbach bereits einmal in der höchsten Liga auf Bezirksebene. Das war in der Saison 1982/83, also vor gut 40 Jahren. Damals stieg man nach einer Saison prompt wieder ab. Droht der jetzigen Mannschaft das gleiche Schicksal? "Es wird natürlich eine schwere Aufgabe", glaubt Wiesnet. "Um mithalten zu können, müssen wir in jedem Spiel alles raushauen. Um mehr als Platz 12 oder 13 kann es für uns aber nicht gehen." Damit liegt der Vereinsboss auf einer Linie mit dem Trainer. "Ein Abstieg wäre sicher kein Beinbruch. Aber unser Ziel ist, die Klasse zu halten. Wir wollen keine Laufkundschaft sein", lautet die Vorgabe von Kaufmann. Er setzt wie in der Kreisliga auf Faktoren wie Zusammenhalt und Vereinsidentität, Willen und Ehrgeiz: "Im Fußball schlägt Mentalität oft genug Qualität."
Das Abenteuer Bezirksliga wird die Meistermannschaft ohne große personelle Veränderungen in Angriff nehmen. Abgänge gibt es keine, auch weil Kaufmann Torjäger Haroun Kahouli (14 Saisontore) überredet hat, noch eine Saison dranzuhängen. "Wir werden ein, zwei Neuzugänge bekommen, mehr nicht", kündigt der Trainer an. Er selbst wird nicht mehr die Fußballschuhe schnüren: "Im letzten Spiel ein Tor zu schießen und den Aufstieg zu feiern. Was will man mehr?", lacht der 39-jährige Familienvater.
Feste soll man feiern, wie sie fallen. Das haben die Vorbacher Spieler wörtlich genommen und am Sonntag im Sportheim die Nacht zum Tag gemacht. "Es wurde bis 3 Uhr morgens gefeiert", berichtet Kaufmann. Am Montag folgte Teil zwei der Fete mit einem Umtrunk bei einem Spieler, danach fand mit dem Bulldog ein Umzug durch die Vorbacher Straßen statt. Am nächsten Montag will ein Teil der Mannschaft in den Flieger nach Mallorca steigen, um dort feucht-fröhlich ein paar Tage zu verbringen.
"Die Jungs haben das Feiern verdient", findet Kaufmann, um gleichzeitig aber für den letzten Spieltag am kommenden Sonntag den nötigen Ernst einzufordern. "Wir wollen die Saison ordentlich und konsequent zu Ende bringen", kündigt er vor dem Gastspiel beim Tabellen-12. TSV Reuth an. Und vielleicht klappt's danach doch noch mit den Meister-Shirts. Am 20. Mai steigt die offizielle Saisonabschlussfeier. Zeit genug wäre, um Stoff und Schriftzug in Auftrag zu geben.
FC Vorbach
- Der FC Vorbach ist ein Sportverein mit rund 450 Mitgliedern
- Die Sparte Fußball hat in der Saison 2022/23 zwei Herren- und sechs Jugendmannschaften im Spielbetrieb
- Der bislang größte sportliche Erfolg war 1982 der Aufstieg in die Bezirksliga Nord
- Die Gemeinde Vorbach hat circa 1020 Einwohner, das benachbarte Schlammersdorf 860 Einwohner. Aus diesen beiden Orten stammt der Großteil der Fußballer, die die Meisterschaft in der Kreisliga Nord errungen haben
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