Vom Fußball zur Sportwissenschaft: Felix Prößl startet in Pittsburgh durch

Weiden in der Oberpfalz
02.06.2023 - 10:52 Uhr
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Als junger Bursche kickt Felix Prößl für die SpVgg Weiden. Dann wagt er, mit einem Stipendium in der Tasche, den Sprung in die USA. Elf Jahre später lebt er seinen Traum – als Direktor der Sportwissenschaft in Pittsburgh.

Es ist eine Geschichte, die so vielleicht nur in den USA möglich ist: Als Felix Prößl im Sommer 2012 über den Großen Teich aufbricht, verschwendet er keinen Gedanken daran, im Land der unbegrenzten Möglichkeiten Karriere zu machen. Eine Dekade später hat er eine leitende Funktion an einer der renommiertesten Hochschulen der USA inne. Seine Aufgabe lautet: Auf wissenschaftlicher Basis Daten zu sammeln und zu liefern, um mitzuhelfen, die Mannschaften von Pitt Athletics – so der Sammelbegriff für die Sportteams an der Universität von Pittsburgh – auf ein noch höheres Niveau zu hieven.

"Es geht darum, Leistungsfaktoren wie die Physis, die Regenerationsfähigkeit oder auch den Gesundheitszustand der Athleten zu analysieren und zu fördern", sagt Prößl. "Wir kombinieren Laborforschung mit der Praxis des Sports." Pittsburgh, so betont der 29-Jährige, sei landesweit ein Vorreiter, was die angewandte Sportwissenschaft betrifft. "Studenten, die ihren Master machen, sind bei uns nicht nur im Labor, sondern auch bei unseren Mannschaften im Einsatz. Egal ob zum Beispiel bei der Leistungssteigerung oder Verletzungsprävention, wir können viel von verlässlichen Daten lernen." Eine Erkenntnis, die im US-Collegesport so bislang nicht selbstverständlich war, sich aber immer mehr durchsetzt: "Auch die kleineren Unis ziehen jetzt nach."

Hochburg des College-Sport

Von American Football bis Baseball, von Basketball bis Volleyball – Pittsburgh ist eine Hochburg, was den College-Sport betrifft. Rund 850 der insgesamt rund 35000 Studenten an der Universität von Pittsburgh betreiben unter dem Dach von Pitt Athletics Hochleistungssport. Ein Teil von ihnen füllt jeden Tag einen Fragebogen aus und beschreibt die eigene körperlich-geistige Befindlichkeit. "Schlaf, Stress, Ernährung. Es wird alles abgefragt, was Einfluss auf die Leistung haben kann", sagt Prößl.

Von der wissenschaftlichen Expertise profitieren, so weit es die technischen Kapazitäten erlauben, nicht nur viele Mannschaften von Pitts Athletics. Auch die Eishockey-Profis des NHL-Klubs Pittsburgh Penguins bitten schon mal um Unterstützung etwa bei Leistungstests. Mitunter ist die große Welt des Sports dann auch mal ganz klein. "Ich habe bei einem solchen Test den deutschen Nationalspieler Dominik Kahun getroffen und mich mit ihm über seine Zeit bei den Blue Devils Weiden unterhalten", berichtet Prößl, der sich als Eishockey-Fan outet: "Für die Blue Devils habe ich mich schon immer interessiert. Ihre Ergebnisse verfolge ich heute noch."

Europa als Wunschziel

Sein Faible, da bleibt sich Prößl treu, ist aber der Soccer, wie der Fußball in den USA genannt wird. Die Studenten, die für das Pitt-Soccer-Team auflaufen, kommen aus aller Welt. Frankreich, Deutschland, Brasilien, zählt Prößl einige Herkunftsländer auf. Fast alle träumen von einer Karriere im europäischen Fußball. „Es gibt schon Beispiele, die das schaffen“, sagt Prößl. „Viele sind das aber nicht.“ Realistischer sei es, nach dem College-Abschluss in die Major League Soccer (MSL), die Profi-Spielklasse in den USA, zu wechseln. Er nennt die ehemaligen Pitt-Fußballer Jasper Loeffelsend (ein Deutscher aus Köln) und Bertin Jacquesson, die in den letzten beiden Jahren gedraftet wurden und mittlerweile fester Bestandteil von Real Salt Lake, einer Profimannschaft in der MLS, sind. Vor allem körperlich seien College-Spieler auf einem hohen Level unterwegs: „Die Saison geht hier von Ende August bis Dezember mit jeweils zwei Spielen pro Woche. Die Intensität auch im Training ist enorm hoch, da sind fitte Spieler notwendig.“

Wie extrem wichtig körperliche Fitness im US-Collegesport grundsätzlich ist, ahnt Prößl aber zunächst nicht. "Mich hat es damals einfach nur gereizt, neue Erfahrungen zu sammeln, das Studium und das Fußballspielen auf hohem Niveau miteinander zu verbinden", erzählt er über seine Beweggründe, kurz nach dem Abitur die Zelte in Weiden abzubrechen. "Ich habe bei einem Auswahlevent in Duisburg vorgespielt. Daraufhin erhielt ich die Zusage", blickt Prößl zurück und gibt zu: "Ein bisschen war ich schon überrascht, dass es mit dem Stipendium geklappt hat."

Die Bescheidenheit ehrt ihn: Natürlich war der kleine Felix schon als Bub ein Fußballtalent. Das Elternhaus liegt direkt gegenüber dem Sportgelände des VfB Weiden, dort lernt er das Kicken. Über den SV Etzenricht findet er den Weg zum Nachwuchs der SpVgg Weiden. Er trainiert unter Faruk Maloku und gehört zu jenem A-Junioren-Team, das nach der Saison 2011/12 fast komplett zum Landesligisten nach Etzenricht wechselt. "Ich habe dort aber nur vier, fünf Spiele gemacht." In den USA heißt sein erstes Ziel: Hastings, Nebraska. Keine Großstadt, keine Big City, sondern ein kleiner, etwas verschlafener 25000-Einwohner-Ort. Mitten im Mittleren Westen der USA.

Die Athletik fehlt

Vier Jahre lang studiert Prößl Sportwissenschaft in Hastings, schließt mit dem Bachelor ab. In dieser Zeit hinterfragt er seine eigene maximale Leistungsfähigkeit: "Ich war mein eigenes Experiment, Tag für Tag. Ich war taktisch begabt im Fußball, aber im Vergleich zu meinen amerikanischen Teamkollegen fehlte mir eindeutig die Athletik. Aus diesem Grund habe ich ständig versucht, zu 100 Prozent bereit für das Training zu sein und mich gefragt: Wie maximiere ich meine eigene Leistung?"

An der Colorado State University in Fort Collins macht Prößl seinen Master. Schon damals reicht ihm die Forschungsarbeit nicht aus, die Idee, wissenschaftliche Ergebnisse auf den Leistungssport anzuwenden, treibt ihn an. Für ein Praktikum bei Borussia Dortmund kehrt er nach Deutschland zurück, lernt Methoden der Datenerfassung kennen, "die bei den Profifußballvereinen in Europa längst gang und gäbe sind."

Die Chance, das europäische Modell anzuwenden, bietet sich dann an der Uni in Pittsburgh. Dort erhält er eine Doktorandenstelle. Parallel zur Promotion begleitet er vier Jahre lang das Pitts-Soccerteam mit wissenschaftlicher Diagnostik. Nur einen Monat nach seinem Doktortitel in Rehabilitationswissenschaften tritt Prößl im Sommer 2022 die neu geschaffene Stelle als Direktor der Sportwissenschaften bei Pitt Athletics an. Von seinen Arbeitsbedingungen ist er begeistert – vor allem in Hinblick auf "Victory Heights". Der Sportkomplex der Superlative mit hochmodernem Kraftraum und eigenem Labor soll 2024 fertiggestellt werden. Kosten des Neubaus: 240 Millionen Dollar.

Verheiratet und Vater

Zum beruflichen Erfolg gesellt sich auch das private Glück. Seit knapp zwei Jahren ist Prößl verheiratet und seit kurzem auch Vater einer Tochter. Seine Frau stammt aus Nebraska, der erste Kontakt ging natürlich über den Sport. "Sie war Stadionsprecherin, da haben wir uns kennengelernt." In Pittsburgh, der City of Champions wie sie in Sportlerkreisen genannt wird, fühlt er sich wohl. 300 000 Einwohner zählt die hinter Philadelphia zweitgrößte Stadt im US-Bundesstaat Pennsylvania, die Metropolregion kommt auf 2,3 Millionen Einwohner. Einst lebte man von Stahl und Kohle, mittlerweile hat Pittsburgh den Strukturwandel gut bewältigt. "Viele Flüsse, viel Grün. Es fühlt sich nicht wie eine Großstadt an. Vieles erinnert mich an Nordrhein-Westfalen", sagt der Oberpfälzer. American Football ist aufgrund der "Steelers", immerhin sechsfacher Super-Bowl-Champion, allgegenwärtig: "Diesem Sport kann man hier nicht entkommen."

Natürlich hat Prößl noch Kontakte in die Heimat, ab und an zu ehemaligen Fußballkameraden wie Martin Kummer, Roman Fuchs, Esra Schmidt und Faruk Maloku. Ein zurück nach Deutschland lässt er immer offen und die Tür will er nie voll und ganz schließen: " "Es gibt hier in den USA für mich als Sportwissenschaftler so viele berufliche Perspektiven. Schaun mer mal."

Info:

Stationen von Felix Prößl

  • Der Weidener spielt als Jugendlicher Fußball bei der SpVgg Weiden
  • Nach dem Abitur erhält er die Zusage für ein Stipendium in den USA
  • Ab 2012: Studium der Sportwissenschaft in Hastings Nebraska mit Bachelor-Abschluss
  • Ab 2016: Studium an der Universität in Fort Collins/Colorado mit Master-Abschluss
  • Ab 2018 Promotion an der Universität von Pittsburgh
  • Seit Juli 2022 Direktor für Sportwissenschaft bei Pitt Athletics (Sportmannschaften der Universität Pittsburgh)
 
 

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