Die Bustür geht auf. Endstation Weiden. Die Morgensonne strahlt in mein Gesicht – milde Temperaturen fühlen sich wie eine wohlig warme Umarmung an. Gänsehaut der guten Art. Das Zwitschern von Amseln und Kohlmeisen wird am Busbahnhof durch einen lauten Knall und Schreie überlagert. Ein sichtbar aufgebrachter Mann tritt gegen einen Mülleimer. Der Boden ist übersäht mit Zigarettenstummeln und Glasscherben. In meine Nase steigt ein säuerlicher Geruch von Erbrochenem. Erneute Gänsehaut – diesmal auf unangenehme Art.
Wer mit den öffentlichen Verkehrsmitteln pendelt, der erlebt so einiges. Besonders prädestiniert dafür: Aufenthalte im Bahnhofsbereich. Dort verbringe ich regelmäßig Zeit, wenn ich zwischen Amberg und Weiden mit den Öffis fahre. Denn eine direkte Verbindung zwischen den beiden Städten gibt es nur mit dem Bus – dessen Fahrplan ist aber mit den meisten Arbeitszeiten nicht kompatibel. Bleibt also abends nur noch der Zug, der immerhin bis 23 Uhr stündlich fährt.
Zurück fahre ich mit einer völlig überfüllten Oberpfalzbahn bis Schwandorf. Dort versüße ich mir den Abend mit einer 30-minütigen Wartezeit am Bahnhof. Hier ist vom Frühling keine Spur mehr. Ein Mann flucht, während er sich eine Zigarette anzünden will. Sein Feuerzeug geht durch den Wind immer wieder aus. Zuerst schimpft der Mann über das Wetter, dann über Geflüchtete. "Die können sich nicht benehmen", sagt er zu einem anderen Reisenden. Während des Gesprächs spuckt er mehrmals aus, anschließend wirft er die Kippe auf den Boden – zwei Meter neben dem Aschenbecher. Würden mich die rassistischen Aussagen nicht so wütend machen, wäre mir wohl aufgrund der Situationskomik zum Lachen zu Mute. Ich drücke mir Kopfhörer in die Ohren. Jetzt brauche ich dringend die Stimme von Rio Reiser, um mich zu beruhigen.
Um Schwandorf zu meiden, kann ich von Weiden alternativ den Regionalexpress Richtung Nürnberg nehmen und nach ungefähr 40 Minuten Wartezeit in Neukirchen (Landkreis Amberg-Sulzbach) weiter nach Amberg fahren. Meistens steige ich dann aber nicht in Neukirchen aus, sondern fahre lieber weiter zu meiner Partnerin nach Fürth. In Nürnberg angekommen nehme ich die S-Bahn. Fünf Minuten Wartezeit. In größeren Städten ist die Anbindung besser. Gedanklich befinde ich mich schon beim Abendessen. Was könnten wir zusammen kochen? Eine Durchsage reißt mich aus den Gedanken. "Die Weiterfahrt verzögert sich auf ungewisse Zeit, da wir aktuell keinen Lokführer haben." Na toll. Wenn das so weiter geht, kann ich gleich im Zug übernachten. Wechselklamotten habe ich ja dabei.
OTon
Wir sind junge Mitarbeiter der Oberpfalz-Medien. In unserer Kolumne „OTon“ schreiben wir einmal in der Woche über das, was uns im Alltag begegnet – was wir gut finden, aber auch, was uns ärgert. Dabei geht es weniger um fundierte Fakten, wie wir sie tagtäglich für unsere Leser aufbereiten, sondern um unsere ganz persönlichen Geschichten, Erlebnisse und Meinungen. Wir wollen zeigen, dass nicht nur in Hamburg, Berlin oder München Dinge passieren, die uns junge Menschen bewegen.
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