Oberpfalz
23.10.2025 - 08:30 Uhr

OTon: Im Farbschutzprogramm

Beige ist keine Farbe, Beige ist eine Kapitulation in Möbelhausästhetik. Redakteurin Maria Oberleitner fragt sich in ihrem OTon: Wann genau wurde Unauffälligkeit eigentlich zum Ideal?

Beige ist keine Farbe, Beige ist eine Kapitulation in Möbelhausästhetik. Findet zumindest Redakteurin Maria Oberleitner. Grafik: PK Design/Adobe Stock/KI-generiert
Beige ist keine Farbe, Beige ist eine Kapitulation in Möbelhausästhetik. Findet zumindest Redakteurin Maria Oberleitner.

Neulich im Café: Zwei junge Frauen planten eine Hochzeit – nicht ihre eigene, aber offenbar die wichtigste des Jahrzehnts – und standen vor einer existenziellen Entscheidung. Der Dresscode: Beige oder Schwarz? Beige sei ja total „in“, aber Schwarz – das sei halt „klassisch elegant“. Eine Diskussion, als ginge es um diplomatische Friedensverhandlungen.

Und dann auch noch beige! Beige ist ja längst mehr als nur ein Farbtrend – es ist das gestalterische Manifest unserer Zeit. Wohnungen, die aussehen wie Pinterest-Boards in Zementoptik, Kinder in Strickmützen in exakt dem gleichen Sandton wie der Buggy, und in Cafés serviert man die Milch in Tassen, die aussehen wie Tonreste aus dem Töpferkurs. Alles ist weich, alles ist ruhig, alles tut niemandem weh. Man könnte fast meinen, es gäbe eine stille Vereinbarung: Wer beige lebt, macht die Welt ein kleines bisschen reibungsloser – und hoffentlich auch Instagram-tauglicher.

Wer Beige trägt, meint es nicht böse – aber halt auch nie besonders gut. Beige steht für ein kollektives Vermeidungsverhalten. Keine Ecken, keine Kanten – einfach einfarbig durchs Leben. Vielleicht leben wir in einer Zeit, in der so vieles laut, schrill, digital blinkend ist, dass der Mensch ins Farbschutzprogramm will. Sicherheit durch Unauffälligkeit. Beige als gesellschaftlicher Rückzugsort für alle, die von Trendfarben wie „Lavender Haze“ emotional überfordert sind.

Vielleicht ist es das: Beige ist der Farbkodex jener Menschen, die nichts falsch machen wollen. Statt solch beiger Unauffälligkeit trug ich Anfang der 2000er-Jahre eine neonlila Schlaghose mit Leoparden-Print. Na gut: Es war der letzte Schrei, aber ich war trotzdem ein modischer Verkehrsunfall. Dafür kann ich heute Geschichten darüber erzählen. Und wenn das nächste große Hochzeitsdrama tatsächlich an der Wahl zwischen Beige und Schwarz scheitert – dann wünsche ich mir für diesen Tag bitte wenigstens ein Kleid in Leoparden-Print. Wenn es sein muss, sogar in Lila. Nur fürs Foto.

Info:

Hintergrund

Wir sind junge Mitarbeiter von Oberpfalz-Medien. In unserer Kolumne "OTon" schreiben wir einmal in der Woche über das, was uns im Alltag begegnet – was wir gut finden, aber auch, was uns ärgert. Dabei geht es weniger um fundierte Fakten, wie wir sie tagtäglich für unsere Leser aufbereiten, sondern um unsere ganz persönlichen Geschichten, Erlebnisse und Meinungen. Wir wollen zeigen, dass nicht nur in Hamburg, Berlin oder München Dinge passieren, die uns junge Menschen bewegen.

 
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