Hach, wie schön es doch wäre, komplett bargeldlos durch den Alltag zu kommen. Oder einen Platz in seinem Lieblingslokal bequem online reservieren zu können. Vielleicht ist die Reservierung sogar ganz modern mit einer eigenen App möglich? Und das Bezahlen der Rechnung geht kurzerhand obendrein über Apple Pay?! Tja, schön wär's. Das bleibt oftmals weiterhin nur Wunschdenken.
Das fängt nicht nur damit an, dass Kleingeld für Parkhäuser und Parkscheinautomaten vielerorts weiterhin unumgänglich ist, um sein Parkscheinticket zu bezahlen. Letztens stand ich auch wieder mit heruntergelassenen Hosen da, als ich in einem Parkhaus kein Kleingeld dabei hatte. Auch etablierte Restaurants bieten mitunter keine bargeldlose Bezahlmöglichkeit an. Selbst moderne, neu eröffnete Lokale verweisen vor dem Betreten mittels "Warnhinweis" darauf, dass sie nur Scheine und Münzgeld annehmen. Und unsereiner, also ich, darf dann erst einmal einen Umweg zur nächsten Bank in Kauf nehmen. Ich hatte derweil gleich lieber ein anderes Restaurant vorgezogen, das diesen "Luxus" bietet. Noch bequemer wäre dann natürlich die Bezahlung durch den integrierten NFC-Chip in der EC-Karte oder im Smartphone. Einmal an das Bezahlgerät halten und schwuppdiwupp ist der Bezahlvorgang auch schon abgeschlossen. Das treue Smartphone wäre ja jederzeit griffbereit und würde so manche entgeltliche Transaktion beschleunigen, also warum seinen Kunden nicht die Möglichkeit anbieten?
Manche Geschäfte fungieren indes als Paradebeispiel der modernen Abwicklung und bieten alles Erdenkliche an digitaler Erleichterung an: Online-Reservierung über eine Webseite oder App, aufrufen der Speisekarte durch das Scannen eines QR-Codes, Bestellung der Speisen und Getränke über die aufgerufene Eingabemaske und schließlich kontaktloses Bezahlen per EC-Karte oder Apple Pay. Manche Restaurants gehen noch einen Schritt weiter und setzen sogar Roboter als zusätzliche Service-Kraft ein, welche die Bestellung des Kunden per Touchpad aufnehmen und an den Tisch fahren. Unkompliziert, schnell und effizient. Doch warum müssen diese digitalen Erleichterungen die Ausnahme und nicht die Regel sein? Insbesondere die skandinavischen Länder und Japan sind in Sachen Digitalisierung Jahrzehnte voraus, dagegen befindet sich Deutschland quasi in der Steinzeit. Na gut, vielleicht sogar schon in der Antike. Vorerst bleibt mir in "good old Germany" jedoch nichts anderes übrig, als sicherheitshalber Bargeld mit einzustecken und im Fall der Fälle parat zu haben.
OTon
Wir sind junge Mitarbeiter der Oberpfalz-Medien. In unserer Kolumne „OTon“ schreiben wir einmal in der Woche über das, was uns im Alltag begegnet – was wir gut finden, aber auch, was uns ärgert. Dabei geht es weniger um fundierte Fakten, wie wir sie tagtäglich für unsere Leser aufbereiten, sondern um unsere ganz persönlichen Geschichten, Erlebnisse und Meinungen. Wir wollen zeigen, dass nicht nur in Hamburg, Berlin oder München Dinge passieren, die uns junge Menschen bewegen.
Ein typischer Text der jungen Generation, die im digitalen Zeitalter aufgewachsen ist. Viele hätten am liebsten alles Digital. Da wird sich mokiert über Geschäfte und Einrichtungen, in denen man nur mit Bargeld bezahlen kann, weil man selbst zu faul ist, welches mit sich zu führen. Digital ist einfach, spart viel Zeit, und es ist bequem. Außerdem soll es die Kriminalität reduzieren.
Dabei gibt es sehr gute Gründe für Bargeldzahlungen. Für die Banken fallen hohe Kosten für die Bereitstellung von Scheinen und Münzen an. Bei bargeldlosen Bezahlen kommen stattdessen erhebliche Kosten auf die Händler zu: monatliche Fixkosten, monatliche variable Kosten und Einmalkosten wie Einrichtungsgebühr, Versandgebühr, Miete, Servicegebühren, Zentrales Clearing, Transaktionsgebühr, Disagio für EC- und Kreditkarte, auch bei App auf dem Smartphone.
Psychologische Experimente in den USA und Deutschland zeigen, dass beim Bezahlen mit Bargeld der Teil des Gehirns aktiviert wird, der auch Schmerzen verarbeitet. Das virtuelle Guthaben wird also leichter ausgegeben als Scheine oder Münzen. Es steigt das Risiko der Verschuldung, wovon die Banken profitieren durch hohe Zinsen. Und Kriminelle werden immer einen Weg finden, wie sich jetzt schon zeigt durch das Abgreifen von Daten.
Und: Immer wenn wir mit EC- oder Kreditkarte bezahlen, hinterlassen wir Datenspuren. Durch die Protokollier- und Nachverfolgbarkeit des digitalen Geldverkehrs werden unsere Daten von Konzernen teuer verkauft. Von der digitalen Überwachung nicht zu reden. Wir verzichten auf unsere Sicherheit zugunsten von Bequemlichkeit.
Außerdem machen wir uns komplett abhängig von der Energieversorgung. Bei Stromausfall geht digital nichts mehr. Mit Bargeld lässt sich trotzdem wunderbar einkaufen – selbst so erlebt in London.
Und über den gigantischen Stromverbrauch scheinen viele Digitalen Befürworter gar nicht nachzudenken. Die globale IT-Branche verbraucht so viel Strom wie 70 Prozent aller Kernkraftwerke produzieren. Allein die Rechenzentren in Frankfurt ziehen mehr Strom als der internationale Flughafen. Allein in Deutschland gibt es etwa 3.000 große und 50.000 kleine Rechenzentren. Ihr Strombedarf pro Jahr: 16 Milliarden Kilowattstunden. Hier sind die zukünftigen digitalen Technologien wie autonomes Fahren, Industrie 4.0 und Smart Citys noch nicht mal berücksichtigt.
Möglichst alles digital, möglichst geringen CO2-Fußabdruck – das ambivalente Wunschdenken der letzten Generationen…
Fazit: wir boykottieren alle Geschäfte, in denen nur mit Karte gezahlt werden kann und unterstützen bewusst die Fortschrittlichen, die aufgrund der oben genannten Gründe nur Bargeldzahlung anbieten.
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