Oberpfalz
16.05.2025 - 14:32 Uhr

OTon: Schief schlafen zwischen Talblick und Tannenrauschen

Der Camper steht zwar schief, dafür sieht die Makramee-Deko hübsch aus: Redakteurin Maria Oberleitner erklärt in ihrem OTon, warum es okay ist, schief zu schlafen, um morgens die Erste auf dem Berg zu sein.

Camping mit Aussicht: Wer hier parkt, ist morgens früh auf dem Gipfel. Symbolbild: Angelika Warmuth/dpa
Camping mit Aussicht: Wer hier parkt, ist morgens früh auf dem Gipfel.

Mein Gehirn fährt Achterbahn. Ich stehe auf einem Wanderparkplatz auf 900 Metern Höhe, irgendwo zwischen Talblick und Tannenrauschen. Der Plan: Morgens die Erste am Gipfel sein. Die Herausforderung: Der Camper steht schief. So schief, dass ich die halbe Nacht wachliege, überzeugt davon, dass ich gleich die Böschung hinunterrolle. Ein romantischer Albtraum auf vier Rädern.

Der Traum: Jeden Sonnenaufgang durch die Heckklappe sehen. Statt Instagram gibt’s Bergpanorama im 4:3-Format – live, ungeschnitten, mit Kuhglocke. Die Realität: Der Hund schnarcht, der Kocher streikt, und irgendwo zwischen Thermosflasche und Mückenspray ist das Müsli ausgelaufen. Meine Generation ist die, die mit zu viel Internet, zu wenig Wohnraum und einer tiefen Sehnsucht nach Bedeutung groß geworden ist. Meine Eltern wollten ein Reihenhaus, ich wollte einen Van mit Holzverkleidung und Makramee-Deko – und genügend Platz, um sich siebenmal am Tag den Kopf zu stoßen. Ich buche keine Hotels, ich google Parkplätze: Das ist Urlaub zwischen ausziehbarem Lattenrost und Solarpanel. Mein Zuhause ist da, wo ich parke – auch wenn das manchmal ein Parkplatz an der Bundesstraße ist. Oder eben der Wanderparkplatz kurz vorm Abhang.

Mein Hund besitzt dabei inzwischen fast mehr Outdoor-Gadgets als ich: Faltbarer Reisenapf mit Karabiner, reflektierende Hundejacke, GPS-Tracker – und das, obwohl er – das Zauberwort heißt Leine – eigentlich sowieso nie weiter als zwei Meter weg ist. Er hat übrigens auch eine eigene Decke, liegt aber grundsätzlich genau da, wo man nachts drübersteigen muss.

Die Luft ist klar, ein bisschen kalt, und der Weg schlängelt sich direkt in den Hang. Es riecht nach feuchtem Moos und nassem Stein, irgendwo klappert ein Bach über Geröll. Ich laufe los, noch bevor alle anderen wach sind, vorbei an Ameisenstraßen und Heidelbeersträuchern. Kein Empfang, kein WLAN – nur der Berg, mein Hund und ich. Keine Wanderstöcke, kein Stau, ich höre nur den Wind. Der Nebel hängt noch zwischen den Bäumen, als hätte die Nacht vergessen, dass sie schon vorbei ist. Als der Himmel langsam von Schwarz zu Blau wechselt, bin ich zwar müde, der Gipfel gehört mir trotzdem als Erste. Es war kein großes Abenteuer, aber es hat sich gelohnt: Die schräge Nacht hat sich gelohnt.

Info:

Hintergrund

Wir sind junge Mitarbeiter von Oberpfalz-Medien. In unserer Kolumne "OTon" schreiben wir einmal in der Woche über das, was uns im Alltag begegnet – was wir gut finden, aber auch, was uns ärgert. Dabei geht es weniger um fundierte Fakten, wie wir sie tagtäglich für unsere Leser aufbereiten, sondern um unsere ganz persönlichen Geschichten, Erlebnisse und Meinungen. Wir wollen zeigen, dass nicht nur in Hamburg, Berlin oder München Dinge passieren, die uns junge Menschen bewegen.

 
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