Ein Gespenst geht um in Deutschland und seinen Medien – das Gespenst der Wehrpflicht. Ein von mir bereits totgeglaubtes Thema feiert seine makabre Auferstehung. Und blamiert währenddessen noch verschiedenste Politiker. Wenigstens etwas. Aber es steht wohl fest: Ab kommendem Jahr müssen sich alle Männer und dürfen sich alle Frauen ab 18 abfragen lassen, wie es mit dem Wehrdienst aussieht und sich gegebenenfalls danach mustern lassen. Vielleicht mit glückbasiertem Losverfahren, vielleicht auch ohne. Alle, deren Geburtsjahr ab 2001 ist, bekommen pro forma ein paar Informationen, falls sie auch mitmischen wollen. Ich bin also mit meinen knapp 28 Jahren zumindest fein raus. Glück gehabt.
Mich macht allerdings bei diesem Thema stutzig, dass mir mein ganzes Leben gesagt wurde, ich müsse mich beeilen zu arbeiten. Meine Schulzeit wurde um ein Jahr gekürzt, weil ich im G12 war, mein Studium wurde auf Bachelor umgestellt, damit es schneller geht. Einen Master brauchst du nicht unbedingt, nur wenn der Beruf, den du machen willst, das vorschreibt. Am besten fängst du schon während des Studiums an, Erfahrung zu sammeln und zu arbeiten. Wir müssen in die Rente einzahlen, wir haben keine ausgebildeten Arbeitskräfte – kurz: Du musst dich beeilen. Ganz zu schweigen davon, dass ich bereits vor 20 Jahren mit Sparen und Investieren hätte anfangen sollen, wenn ich einmal ein eigenes Grundstück besitzen möchte.
Plötzlich ist es aber völlig in Ordnung, Jugendliche vor dem Arbeitsleben für mindestens ein halbes Jahr aus dieser Rechnung herauszunehmen und stattdessen in den völlig unproduktiven – man könnte fast sagen destruktiven – Militärsektor zu stecken. Notfalls mit Zwang durch Glücksspiel. Eine Generation, die zu allem Überfluss ihre Jugendjahre zwischen 2020 und 2022 bereits mehr oder weniger verloren hat. Zynisch könnte man fast sagen: „Hauptsache, die Jugendlichen dürfen nicht über sich selbst entscheiden.“
Dementsprechend bleibt nur zu hoffen, dass zumindest die Freiwilligkeit für den Wehrdienst bestehen bleibt. Und dass junge Leute trotz aller Krisen sich selbst zumindest ein wenig in einer immer teurer werdenden Welt ausleben können, bevor irgendein archaisches Gespenst sie heimsucht.
OTon
Wir sind junge Mitarbeiter der Oberpfalz-Medien. In unserer Kolumne „OTon“ schreiben wir einmal in der Woche über das, was uns im Alltag begegnet – was wir gut finden, aber auch, was uns ärgert. Dabei geht es weniger um fundierte Fakten, wie wir sie tagtäglich für unsere Leser aufbereiten, sondern um unsere ganz persönlichen Geschichten, Erlebnisse und Meinungen. Wir wollen zeigen, dass nicht nur in Hamburg, Berlin oder München Dinge passieren, die uns junge Menschen bewegen.
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