Das Schöne an Wikipedia ist, dass es dort über alles einen Eintrag gibt. Auch über Tapeten. Da heißt es: "Die Tapete [...] ist eine bedruckte oder bemalte Wandbekleidung aus Papier, Glasgewebe oder Kunststoff [...], die mittels geeignetem Klebstoff auf die Wand geklebt wird." Im Wörtchen "geeignet" steckt das Problem. Welches machiavellistische Werbe-Genie auch immer dafür gesorgt hat, dass es die Menschen in den 60ern und 70ern für eine super Idee hielten, die Wände jedes noch so kleinen Raums mit Papierfetzen in Blumenoptik und kiloweise Kleister zu zupflastern: Von nun an sind wir Feinde!
Offenbar konnte sich damals niemand vorstellen, dass diese Dinger, nach Jahrzehnten vergilbt, vollgesogen mit dem Dunst tausender Mahlzeiten - offenbar alle mit sehr viel Öl gebraten - irgendwann mal wieder runtermüssen. Und wie es ein großer kosmischer Zufall so will, bin es nun ich, der bei sich daheim die Schandtaten vergangener Generationen beseitigen muss. Ich wundere mich ja, dass damals keiner auf die Idee gekommen ist, Bad und Klo zu tapezieren.
Natürlich sollte man Tapeten nur angehen, wenn man sich vorher gründlich in die Materie eingearbeitet hat. Hab ich gemacht, Internet weiß immer Rat. Stachelrolle, Spüli und Sprühflasche - man hätte meinen können, ich wäre Profi. Allerdings wich meine anfängliche Euphorie - "komm, in ner Stunde bist du fertig mit dem Zeug" - schnell dieser Art von Ernüchterung, die ich früher manchmal in der Matheklausur hatte, wenn ich dachte, diesmal hab ich es kapiert, mir dann aber die erste Frage angeguckt habe. Nicht schön, aber da bin ich wirklich Profi. Vielleicht haben die Fettreste, der Staub und der Kleister (oder vermutlich eher Sekundenkleber) eine niederträchtige Allianz geschmiedet und gemeinsam einen von Menschenhand unzerstörbaren Firnis gebildet. Ja, genau so muss es gewesen sein. Am Ende war ich tagelang damit beschäftigt, winzige Futzelchen aus altem fettigen Papier von der Wand zu pulen. Wäre mir da jemand mit dem Werbespruch einer großen Baumarktkette, "Respekt, wer's selber macht", gekommen, ich weiß nicht, ob ich mich beherrschen hätte können.
Wer sich da draußen gerade überlegt, er oder sie könnte doch das Schlafzimmer mit dieser schicken modernen Tapete verschönern, weil bestimmt total gemütlich und so: Leute, lasst das!
OTon
Wir sind junge Mitarbeiter der Oberpfalz-Medien. In unserer Kolumne „OTon“ schreiben wir einmal in der Woche über das, was uns im Alltag begegnet – was wir gut finden, aber auch, was uns ärgert. Dabei geht es weniger um fundierte Fakten, wie wir sie tagtäglich für unsere Leser aufbereiten, sondern um unsere ganz persönlichen Geschichten, Erlebnisse und Meinungen. Wir wollen zeigen, dass nicht nur in Hamburg, Berlin oder München Dinge passieren, die uns junge Menschen bewegen.
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