Ein Faschist bin ich also. Aha. Gut zu wissen. Wäre mir jetzt gar nicht in den Sinn gekommen. Wenn er meint. Aber die Facebook-Nachricht ist noch nicht zu Ende. Ich habe sie sehr spät gesehen. Facebook-Mitteilungen von Leuten, mit denen ich nicht befreundet bin, checke ich so gut wie nie. Aus gutem Grund. Aber diese Nachricht ist anders. Schon im Januar hat sie der Mann aus Weiden abgeschickt.
Auf seinem Profilbild sieht er eigentlich ganz nett aus. Seinen Namen will ich hier nicht nennen. Diese Bühne gebe ich ihm nicht. Am Datum lässt sich erkennen, dass sein Schreiben eine Reaktion auf einen Text von mir über die Weidener Querdenker-Szene war. Damals habe ich eine Woche lang in deren Telegram-Gruppe mitgelesen und daraus zitiert.
Die Nachricht geht weiter: Irgendwann, schreibt der Mann, werde ich zur Rechenschaft gezogen. „Elender Hetzer.“ Ich bin also ein Hetzer und ein Faschist, der bald zur Rechenschaft gezogen wird. Hm. Das sind eher lausige Aussichten. Gibt es schon einen Termin? Noch erschreckender ist, mit welcher bitteren Nonchalance jemand unter vollem Namen und mit Gesicht solcherlei Drohungen ausspeit.
Lieber P., vermutlich liest du das hier nicht. Aber falls doch: Auch Journalisten haben Gefühle. Sogar eine Seele. Die meisten zumindest. Und es ist nicht in Ordnung, jemandem wegen eines Zeitungsartikels Gewalt oder Mord anzudrohen. Jemandem, der aus deiner Region kommt. Der genau wie du eine Familie hat. Der vielleicht dieselbe Musik hört oder einen ähnlichen Filmgeschmack hat. Jemandem, dessen Beruf es ist, über Dinge zu schreiben, die für die Gesellschaft wichtig sind.
Ob du nun gut findest oder nicht, was ich und was meine Kollegen schreiben: Mein privates Facebook-Profil zu suchen und mir eine solche Nachricht zu hinterlassen, ist sehr, sehr feige. Ich bin 25 Jahre alt, erst seit wenigen Monaten Redakteur. Da steckt man das nicht mal im Handumdrehen weg.
Was es heißt, wenn Medien unfrei sind, wenn öffentlicher Druck die Feder der Journalisten führt und ihnen die Luft zum freien Atmen und Denken abschnürt, lässt sich in Russland beobachten. Jede kleine Nachricht, die geeignet ist, Journalisten einzuschüchtern, bedeutet einen Schritt in diese Richtung. Es sollte allen daran gelegen sein, das zu verhindern. Freie Medien sind das Gegenteil von Faschismus.
Denk bitte das nächste Mal nach, bevor du wieder zum verbalen Vergeltungsschlag ausholst.
OTon
Wir sind junge Mitarbeiter der Oberpfalz-Medien. In unserer Kolumne „OTon“ schreiben wir einmal in der Woche über das, was uns im Alltag begegnet – was wir gut finden, aber auch, was uns ärgert. Dabei geht es weniger um fundierte Fakten, wie wir sie tagtäglich für unsere Leser aufbereiten, sondern um unsere ganz persönlichen Geschichten, Erlebnisse und Meinungen. Wir wollen zeigen, dass nicht nur in Hamburg, Berlin oder München Dinge passieren, die uns junge Menschen bewegen. Alle Teile dieser Kolumne sind zu finden unter onetz.de/oton.
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