Zu einem einzigartigen Refugium für viele Tier- und Pflanzenarten hat sich der Truppenübungsplatz Grafenwöhr im Laufe der Jahrzehnte entwickelt. Neben großen Rotwildrudeln, Seeadler, Wolf und vielen anderen Spezies zählen auch Fledermäuse zu den Bewohnern des militärischen Sperrgebiets. In Fledermauskästen, in alten Bunkern und vor allen in den Kellern der verlassenen Ortschaften werden den "Jägern der Nacht" auch spezielle Quartiere bereitet.
Fledermäuse sind keine Vampire, sondern schutzwürdige Tiere. Sie sind eine Säugetiergruppe, die zusammen mit den Flughunden die Ordnung der Fledertiere bilden. Weltweit gibt es rund 1000 Fledermausarten, in Deutschland sind 25 Fledermausarten heimisch. Dabei stoßen die Flugsäuger kaum auf natürliche Feinde, aber sie kämpfen mit den negativen Folgen einer intensiven Land- und Forstwirtschaft und der Reduzierung ihrer Nahrungsquellen. "Fledermausschutz ist auch immer Naturschutz in einem weiteren Sinne, von dem viele weitere Arten in Flora und Fauna profitieren", schreibt der Naturschutzbund Deutschland (NABU).
Umweltabteilung der US-Armee
"Auf dem Truppenübungsplatz Grafenwöhr konnten bisher 17 der 25 in Bayern nachgewiesenen Fledermausarten beobachtet werden, davon 13 bedrohte Arten der Roten Liste", berichtet Stefan Härtl. Er ist Umweltingenieur bei der "Environmental Division" der US-Armee-Garnison Bavaria. Diese Umweltabteilung der US-Armee besteht aus rund 20 Mitarbeitern mit Fachkräften für den technischen Umweltschutz und den klassischen Naturschutz auf den Plätzen Hohenfels und Grafenwöhr. Für die verschiedensten Projekte und Maßnahmen in den militärischen Sperrgebieten stehen den Umweltschützern der US-Army jährliche Beträge zwischen fünf bis sechs Millionen Dollar zur Verfügung, ein fünfstelliger Betrag fließt dabei auch in die Betreuung der Fledermäuse.
Zur Bewältigung ihrer Aufgaben greift die US-Umweltabteilung auf viele Partner zurück, wie auf das Institut für Vegetationskunde und Landschaftsökologie (IVL) aus Hemhofen bei Forchheim. Das IVL nimmt seit 1995 naturschutzfachliche Kartierungen und Kontrollen im Übungsgelände vor. Dazu zählen unter anderem die Kontrollen der über 500 Fledermauskästen, die mittlerweile im Platz aufgehängt sind und sehr gut angenommen werden. Zu einem kleinen Teil sind die Kästen durch die Behörden als naturschutzfachliche Kompensationsmaßnahmen gefordert.
Warum Grafenwöhr ein idealer Lebensraum für Fledermäuse ist begründet Stefan Härtl mit der Naturbelassenheit des Sperrgebietes und erläutert es am Beispiel der geräumten Übungsplatz-Ortschaft Haag. Haag war der größte Ort bei der Erweiterung des Truppenübungsplatzes vor dem Zweiten Weltkrieg.
Das Dorf lag an der alten Reichsstraße 85. Über 500 Einwohner mussten 1938 wegen der Absiedelung durch das NS-Regime ihre angestammte Heimat verlassen. Die Ortschaften wurden nach dem Krieg für die Entnahme von Baumaterial freigeben und dann teilweise geschliffen, so dass auch auf den ersten Blick nicht viel von Haag übrig ist.
Mosaik aus Lebensräumen
Bei genauerer Betrachtung kann man allerdings doch noch einiges entdecken: alte Mauerreste, der Dorfweiher, alte Obstbaumkulturen, der sanierte Friedhof und einige Keller. Die Reste der Ortschaft werden als kulturhistorisch wertvoll respektiert und sind deshalb vom militärischen Übungsbetrieb ausgenommen. Die vielfältigen Strukturen der ehemaligen Dorfstelle bieten ein reichhaltiges Mosaik aus unterschiedlichen Lebensräumen für eine Vielzahl von Pflanzen und Tieren, auch für Fledermäuse.
Die Flugsäuger profitieren davon, dass die Entwicklungen der modernen Landwirtschaft im Übungsplatz nicht Einzug hielten. Auf den Übungsflächen werden keine Pestizide ausgebracht. Mineraldünger wurde zur Erosionsbekämpfung nur in beschränktem Umfang und nur auf Teilflächen als Startdüngung bei der Wiederansaat verwendet. Dadurch erklärt sich der Insektenreichtum im Militärgelände, der sich als Nahrungsgrundlage auf die Fledermaus-Population sehr positiv auswirkt.
"Unter den 17 im Sperrgebiet nachgewiesenen Fledermausarten war 2013 erstmals auch ein Exemplar der Großen Hufeisennase dabei. Deutschlandweit gibt es nur mehr ein kleines, geschlossenes Vorkommen in und um den Übungsplatz Hohenfels, woher das Tier vermutlich auch stammte", erzählt Stefan Härtl. Seitdem wurden in Grafenwöhr fast jedes Jahr zwei bis drei Große Hufeisennasen registriert. Im Bereich von Haag wurden bislang mindestens elf verschiedene Arten der Flugsäuger gefunden.
Wasserfledermäuse jagen im agilen Flug bereits früh am Abend knapp über der Wasserfläche des alten Dorfweihers. Mit etwas Glück kann man dann auch Abendsegler über den Baumkronen fliegen sehen. Auch die Wälder in und um Haag werden von weiteren Arten wie Mausohr-, Zwerg- und Rauhautfledermaus zur Nahrungssuche genutzt. Hinter der abstehenden Rinde alter Bäume und von Totholz verstecken sich Mops- und Bart-Fledermäuse, die man auf dem Übungsplatz auch im Winterquartier vorfinden kann.
Einige der alten Haager Felsen- und Lagerkeller wurden extra für den Fledermausschutz hergerichtet und aufgewertet. Die Tonnengewölbe und das brüchige Mauerwerk wurden stabilisiert, die Kellereingänge abgesperrt und bis auf ein Einflugloch verschlossen. In den Innenräumen sind zusätzliche Spaltenquartiere in Form von modifizierten Ziegel- und Hohlblocksteinen bereitgestellt, die von den Fledermäusen gerne als Versteck für ihren Winterschlaf genutzt werden.
"Bat Sanctuaries"
Ähnlich wurde auch bei alten Bunkerbauten verfahren. Gesprengte Testbunker der Westwallübungsanlage weisen große Hohlräume auf und wurden durch den Einbau von Fledermaustüren verschlossen. An den Stahlarmierungen der meterdicken Bunkerdecken und in Hohlräumen sind die Flugsäuger zu finden. Zweisprachige Hinweisschilder erläutern das "Environmental Project - Fledermausprojekt" und verbieten die Störung der "Bat Sanctuaries".
"Trotz der relativ geringen Größe der Keller- und Bunkerräume im Vergleich zu den großen Höhlen im Oberpfälzer und Fränkischen Jura können hier immerhin mindestens fünf unterschiedliche Arten nachgewiesen werden. Braunes Langohr, Fransenfledermaus, Wasserfledermaus, sowie Mops- und Brandt- oder Bart-Fledermaus nutzen diese Winterquartiere", resümiert Stefan Härtl.
Aktuell werden immer wieder Fledermäuse mit dem Coronavirus in Verbindung gebracht. Angst davor, dass Fledermäuse in Deutschland Menschen anstecken könnten, braucht jedoch niemand zu haben. Es gebe keine Belege dafür, dass die in Deutschland heimischen Fledermäuse Träger jenes Stammes sind, dem auch das Coronavirus SARS-CoV-2 entstammt, gibt der NABU auf seiner Homepage Entwarnung.
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