10.05.2019 - 08:01 Uhr

100 Jahre Bauhaus in Selb: Von Pionieren und Visionären

Das Porzellanikon feiert Walter Gropius und die Bauhaus-Bewegung mit einer Ausstellung an zwei Orten.

"Reine Formsache" ist die Ausstellung wohl nicht. Trotzdem heißt sie so, die Schau, die das Porzellanikon in Selb anlässlich des 100. Bauhaus-Geburtstages präsentiert. Das Motto wird nahezu greifbar: 1200 Exponate veranschaulichen, wie die Bauhaus-Ideen das Porzellandesign veränderten und - immer noch - beeinflussen.

Im Staatlichen Museum für Porzellan, kurz hinter der Oberpfälzer Grenze, dreht sich alles um die Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle und wie sie sich als Nachfolgerin der Bauhaus-Keramikwerkstatt etablierte.

Während es im "DesignLab" in Selb um die experimentellen Arbeiten der heutigen Studierenden geht, zeigt der Ausstellungsteil "Chronik" in Hohenberg an der Eger in 750 Exponaten die Entwicklung seit 1915 auf. "Während das Bauhaus progressiv-modern war und sich auf die technische und industrielle Fertigung konzentrierte, war die Burg in Halle immer stark vom Handwerk geprägt", sagt Designwissenschaftlerin und Designerin Claudia Zachow, die mit Steffi Auffenbauer die Schau kuratiert hat. Ihre Wurzeln im Handwerk hatte auch Marguerite Friedlaender, deren Arbeiten zusammen mit denen von Gerhard Marcks quasi das Kernstück bilden. Als Marcks ehemalige Schülerin sind auch ihre Arbeiten geprägt von einer zweckmäßig-funktionalen sowie ästhetischen Herangehensweise.

Marcks, gelernter Bildhauer, konnte sich in seinen keramischen Arbeiten auch bildhauerisch selbst verwirklichen. Er adaptierte Aspekte von Gebrauchsgegenständen - so ließ er sich beispielsweise für seinen Konfekt- und Rohkostschalen-Satz von Laborporzellan inspirieren, erklärt Kuratorin Zachow.

Noch heute zählen die Porzellane, die Friedlaender und Marcks in den 1930er Jahren für die Königliche Porzellanmanufaktur (KPM) in Berlin entwarfen, zu deren festen Repertoire. Darunter zum Beispiel: Die "Hallesche Form". "Marguerite Friedlaender entwarf damit eine reine Form", sagt Zachow. "Ein abgeschrägter Rand sorgt bei den Tassen für Leichtigkeit - das ist ein tolles Beispiel für mustergültige Formsprache."

Von jenen "Pionieren" in den 1920er Jahren, über bedeutende Vertreter der industriellen Formgestaltung in der DDR wie Hans Merz ("Cordoflam", 1967) und Hubert Petras bishin zu den derzeitigen Gestaltern wie Heike Philipp und Barbara Schmidt zeigt die Stücke, die immer wieder verblüffen. Aufgrund ihrer Form - oder, wie bei Claudia Bischoff ("Induktherm", 2015) aufgrund ihrer innovativen (Induktions-)Funktion.

Der Ausstellungsteil im Porzellanikon Selb setzt den Fokus auf Gegenwart und Zukunft: neue Stoffe, neue Formen, neue Ansätze. Gezeigt werden 450 Arbeiten aus den vergangenen zehn Jahren, die überraschen.

Studenten der Kunsthochschule Burg Giebichenstein wagten im "DesignLab" das Experiment und kombinierten Keramik mit Bambus, Stoff und Beton, testeten keramischen 3D-Druck und kreierten beispielsweise "Lampenfieber": Bei Tageslicht unauffällig und stilvoll - knipst man die Lampe aber an, bringt sie mit photolumineszenten Farben ein Stück Weltall ins Zimmer.

Porzellan macht hier Musik, erzeugt Licht in verschiedenen Farben und zeigt sogar die Zeit an. "Die digitalen Möglichkeiten ermöglichen eine neue Formästhetik - wir möchten aber auch zeigen, dass analog deshalb noch lange nicht passe ist", betont Wilhelm Siemen, Direktor des Porzellanikons. "Reine Formsache" sei ein Statement, sagt er. "Das Statement der reinen Form und das Statement, dass modernes internationales Design in Porzellan Wurzeln hat."

Die Ausstellung „Reine Formsache“:

Die Ausstellung läuft bis Sonntag, 6. Oktober, an den beiden Standorten Hohenberg an der Eger und in Selb:

- Chronik – Porzellanentwürfe ausgewählter Lehrender und Absolventen 1915 bis heute: Schirndinger Straße 48, Porzellanikon Hohenberg an der Eger

- DesignLab: Porzellan der Zukunft: Werner-Schürer-Platz 1, Porzellanikon Selb

Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag und an Feiertagen 10 bis 17 Uhr, Montag geschlossen

Reine Formsache - im Porzellanikon

Das Netzwerk Amberg/Selb:

Bauhausbegründer Walter Gropius hat die Städte Selb und Amberg maßgeblich geprägt – die eine mit der „Glaskathedrale“, die andere mit der Porzellanfabrik und einem Entwicklungsplan für die Stadt – der allerdings nie umgesetzt wurde. Die beiden Städte würdigen das Werk des Architekten nun nicht nur mit einer Reihe von Veranstaltungen und Ausstellungen zum Thema „100 Jahre Bauhaus“ – sondern auch mit einer Zusammenarbeit im „Netzwerk Amberg/Selb“. Neun Institutionen wie das Stadtmuseum Amberg, der Kunstverein Hochfranken Selb oder das Rosenthal-Theater Selb haben sich zusammengeschlossen, um ihre Aktivitäten im Bauhausjahr gemeinsam zu präsentieren. So lädt der Kunstverein Hochfranken Selb am Freitag, 24. Mai (19 Uhr), zum „Zeitzeugengespräch“ ins Atrium im Walter-Gropius-Gymnasium Selb. Eugen Gomringer, Dietrich Müller und Klaus Cullmann berichten unter anderem von ihren Begegnungen mit Walter Gropius.

100 Jahre Bauhaus: Netzwerk Amberg/Selb

 
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