„Immer in Sichtweite“ heißt Friedrich Brandls neuester Prosa-Band, der am 20. September in der edition lichtung erscheint. Darin schildert er in alphabetischer Reihung allerlei unterhaltsame und nachdenkliche Episoden aus seinem Leben als Lehrer, Schriftsteller, Familienvater, engagierter Bürger, Reisender und Marathonläufer. Ein Interview.
ONETZ: Herr Brandl, mal Hand aufs Herz: Lieber Lyrik oder Prosa?
Da gibt es für mich kein entweder – oder. Das hängt von der Situation ab. Manchmal bevorzuge ich Lyrik, manchmal Prosa. Angefangen habe ich vor mehr als 30 Jahren mit Mundartgedichten, wo ich in kurzen, pointierten Aussagen v.a. zu Themen wie Natur und Umwelt Stellung bezog. „Meine Finga in deina Rindn“ war einer der ersten Gedichtbände. Als ich dann 2008/09, nach meiner Pensionierung als Lehrer, über meine Kindheit nachdachte, habe ich die Geschichten, die mir dazu einfielen, aufgeschrieben. Es wurde der Erzählband „Ziegelgassler - eine Kindheit nach dem Krieg“. Ich war ja 1946 in der Ziegelgasse in Amberg geboren und wuchs dort auf. Meine Eltern und ich zogen dann um in die Lederergasse, ich lernte Gitarre spielen , schmiss die Schule, spielte in einer Band – einer Skiffle Group -, absolvierte meine Lehrzeit bei der Luitpoldhütte. Davon handelt mein anschließender Prosaband „Glock´n´Roll – eine Jugend im Schatten der Martinskirche“, der 2012 erschien. Auch die Erlebnisse um den Widerstand gegen die WAA Wackersdorf hielt ich in einem Buch fest. 2016 gab es dann den Gedichtband „inmitten meiner grünen insel“. Diese Arbeit an Sonetten hat mir sehr viel Freude bereitet.
ONETZ: Ihr neues Buch wurzelt ausschließlich in Autobiografischem. Nach welchen Gesichtspunkten haben Sie die einzelnen Episoden aus Ihrem Leben ausgewählt?
Zuerst war da mal ein Sammeln von wichtigen Episoden, z.B. mein Aufenthalt im Spätberufenengymnasium Waldram, meine Studentenzeit, mein erster Dienstort als Lehrer, mein Marathonlaufen, meine Reisen nach Frankreich, Tschechien, Italien, mein Engagement für Natur und Umwelt, meine Begegnungen mit interessanten Menschen, meine Arbeit als Schriftsteller, meine Freude, mein Frust. Dann habe ich versucht da eine Struktur hineinzubekommen und sehr schnell gemerkt, dass ich kein chronologisches Erzählen meiner Biographie will.
ONETZ: Hinsichtlich der Anordnung haben Sie sich das Model des „Abecedariums“ ausgeliehen – was hat Sie gerade daran so gereizt?
Ich leite auch Schreibwerkstätten für Kinder und Erwachsene. Ein Schreibspiel, das ich immer gerne mit verwende, ist das „Abecedarium“. Die Teilnehmer sollen bei einem Spaziergang durch eine Stadt oder Landschaft zu jedem Buchstaben des ABCs etwas aufschreiben, was mit diesen zu tun hat. Auch hat mich Bernhard Setzweins Abecedarium über den Dichter Jean Paul inspiriert. Plötzlich kam der Gedanke „Das ist es!“ Ein Abecedarium durch mein bisheriges Leben, wobei Kindheit und Jugend ja schon erzählt sind.
ONETZ: Kam beim Sortieren und Schreiben manchmal auch die grundsätzliche Frage auf, wie viel Öffentlichkeit die privaten Erinnerungen vertragen?
Das ist eine immens wichtige Frage. Soll man private Erinnerungen an die Öffentlichkeit tragen? Ich wollte und will im neuen Buch keine vollständige Familiengeschichte ausbreiten. „Immer in Sichtweite“ meint, dass das, was man erlebt hat, zu einem gehört, man sollte das nicht vergessen. Viele der Erinnerungen halte ich aber deshalb für erzählwürdig, weil darin Aussagen und Erlebnisse vorkommen, die auch für andere Menschen, den Leser, interessant sein könnten. Immer natürlich auch die Frage, was lässt man besser weg? Was geht die Öffentlichkeit nichts an?
ONETZ: Und wie groß ist die Gefahr für den Autobiografen, manch Missliches oder Unerfreuliches der Vergangenheit durch die rosarote Brille zu schildern?
Es geht -glaube ich – nicht um den Blick durch die rosarote Brille, die alles Vergangene verklärt. Ich gehöre nicht zu denen, die behaupten, früher wäre alles besser gewesen. Es war anders! Manchmal empfinde ich große Dankbarkeit, dass Missliches oder Trauriges sich oft zum Guten gewendet hat, dass Situationen, die man im Augenblick des Erlebens als sehr unangenehm empfindet, im Laufe der Zeit erträglicher werden. Ich habe mal vor Jahren ein Jugendbuch gelesen. Da kam der Satz vor „Nichts ist Zufall“. Der hat mir bei weniger guten Erlebnissen und Ereignissen viel geholfen. Auch aus Unangenehmem kann Interessantes und fürs eigene Leben Gutes entstehen.
ONETZ: Gibt es eine Lieblingsgeschichte oder -episode?
Da müsste ich jetzt nicht eine, sondern zumindest ein paar nennen. Dazu gehören die Geschichten „Eglsee, Centrum Bavaria Bohemia, Höri“ und „Tiefe Töne“. In „Eglsee“, diesem kleinen Ort am Stadtrand von Amberg, wo oft auch der Ausgangspunkt für meine Trainingsläufe zur Marathonvorbereitung war, kam es auf dem sogenannten Eselsweg manchmal zu Begegnungen, die mich sehr erbosten und worüber ich mich furchtbar aufregen konnte. Wie sich dann das zu einem guten Ausgang entwickelt, erzählt die Geschichte. Aber ich will nichts verraten, schließlich sollen die Geschichten ja gelesen werden.
ONETZ: Was wünschen Sie sich für Ihre Lesetour, die am 1. Oktober in Amberg startet und nach insgesamt zehn Stationen am 17. November bei der Regionalbuchmesse in Sulzbach-Rosenberg endet?
Natürlich zuerst einmal viele Zuhörer. Es macht einfach mehr Spaß in einem vollen Saal zu lesen als vor acht oder zehn Personen. Dann natürlich auch viele Menschen, die sagen: „Das sind Geschichten, die ernst oder heiter, nachdenklich oder lustig sind, so unterschiedlich wie eben das Leben ist. Dieses Buch kaufe ich.“
Die Orte, an denen ich lese, haben auch viel mit den Geschichten und der Gegend zu tun:
Amberg, Regensburg, Schönsee, Sulzbach-Rosenberg, der Jura, die Goldene Straße, Weiden. Besonders freue ich mich auch auf die Lesung in Dentlein am Forst im Landkreis Ansbach, meinem ersten Dienstort als Lehrer.
Zur Person
Friedrich Brandl wurde 1946 in Amberg geboren. Nach einer Lehre zum Industriekaufmann macht er auf dem zweiten Bildungsweg das Abitur nach und studiert Erziehungswissenschaften in Regensburg. 1973 beginnt er seine Laufbahn als Volksschullehrer. Er veröffentlichte mehrere Gedicht- und Prosabände, 2013 erhielt er den Kulturpreis des Bezirks Oberpfalz in der Kategorie Literatur.
Service
Friedrich Brandls Buch „Immer in Sichtweite – Ein Abecedarium“ mit Illustrationen von Ina Meillan, 160 Seiten, Klappenbroschur, erscheint am 20. September in der edition lichtung und kostet 14,90 Euro.
Die Premieren-Lesung mit Musik von Mike Reisinger findet am 1. Oktober um 19.30 Uhr in der Stadtbibliothek Amberg statt. Weitere Termine:
11. Oktober, 19.30 Uhr Weinschenk-Villa Regensburg mit Musik von Stefan Huber, 17. Oktober, 18 Uhr Centrum Bavaria Bohemia Schönsee, 18. Oktober 19.30 Uhr Grüner Kranz Friedenfels, 20. Oktober 11 Uhr Kunstverein Weiden, 25. Oktober 20 Uhr Stadthalle Viechtach, 26. Oktober 19 Uhr Kommunbrauhaus Hohenfels, 7. November 19.30 Uhr Stadtbücherei Waldsassen, 8. November 19 Uhr Gemeindebücherei Dentlein am Forst, 17. November 18 Uhr Literaturhaus Sulzbach-Rosenberg
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