„#Je Suis“ ist nichts zum nebenbei Konsumieren, sozusagen ein wohlschmeckender Tanzcracker zum Knuspern. An diesem Hashtag, diesem Schlagwort muss man lange kauen, muss sich von totaler Ratlosigkeit hinlenken lassen zu ganz tiefer Empfindung. In Amberg lag diese schwere Kost einigen Besuchern schnell im Magen, weshalb sie frühzeitig den Raum respektive das Theater verließen. Wer sich der wirklich schwer verdaulichen Produktion stellte und sich bis zum Schluss den emotionalen Bildern und Erzählsträngen aussetzte, der ging mit einem unvergesslichen Erlebnis nach Hause.
„#JeSuis“ ist atemberaubender Contemporary Dance. Sieben Tänzerinnen und Tänzer berichten, erzählen, machen begreifbar und bauen symbolhafte Bilder. Sie übermitteln ein politisches Statement, sie versuchen eine Antwort zu geben, auf die in den globalen Medien vorherrschende Ungleichheit in der Berichterstattung und sie sprechen eine deutliche Sprache. Die Körpersprache. Es fehlen die Worte. Es gibt nur Geräusche, Wind und Wasser, Rattern, Rauschen, Radiowellen und leere Sprechhülsen.
Doch die Performance trifft ins Mark! Bedrohlich, bedrängend die graue Nebelszenerie, unerhört kraftvoll der Durchsetzungswille und die Widerstandskraft gestrandeter Menschen. Musik wie ein Orgasmus, Bewegung wie ein Totentanz. Licht auf Tänzer und Publikum. Finger bewegen sich wie Krabben auf dem Tisch. Die Menschenkette verlängert sich unaufhaltsam. Alles ist in Bewegung, aufrecht, gebeugt, unterdrückt. Das Individuum ist gefesselt in durchsichtiger Haut, in Folie, im Fremden. Erbarmungslos die Bilder, suggestiv, provozierend, beklemmend, aber auch befreiend. Ohne Farben aber nicht farblos. Die Kunst der Tänzer löst sich in bildhaften Bewegungen auf.
Das Geschehen auf der Bühne ist wie ein Sog. Vieles ist abstrakt, so dass man bloß ein allgemeines Gefühl dafür bekommt, was passiert. Anderes erschließt sich direkt. Alles aber ist von großer Kraft. In ihren wechselnden Beziehungen zueinander zeigen die Tänzer und Tänzerinnen mit großer Intensität die Verschiedenartigkeit von Unterdrückung. Sie versenken ihre Emotionen in die Herzen und die Köpfe des Publikums. Neue Wege bahnen, an fremde Grenzen stoßen und explodierende Bilder inszenieren, das ist Aakash Odedra mit seinem Konzept, der Regie und den Choreographien hervorragend gelungen. Die Ton-Kompositionen von Nicki Wells bohren sich in die Gehörgänge und das perfekte Lichtdesign setzt eindrucksvolle Akzente.
Fesselnd, originell und wahrhaft aufwühlend ist das Theater-Erlebnis #Je Suis – Ich bin – Ich existiere“! Das Amberger Publikum hat die Botschaft intellektuell und emotional sehr wohl verstanden! Großer Beifall für einen großen Abend!
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