Man muss davon ausgehen, dass der Lkw-Fahrer nach der Tat mit der Leiche 1600 Kilometer quer durch Europa gefahren ist. Die Tote wurde eine Woche später an der Autobahn bei Asparrena in Nordspanien gefunden. Weitere 700 Kilometer südlich, in Andalusien, nahm die spanische Guardia Civil am Tag 5 nach Sophia Lösches Verschwinden den Trucker fest. Noch gut drei Stunden – und er hätte die Straße von Gibraltar erreicht gehabt, wo er mit der Fähre nach Marokko übersetzen wollte.
Das hätte er womöglich geschafft, wäre es Familie und Freunden der Studentin nicht gelungen, den Tatverdächtigen auf eigene Faust zu ermitteln. Sie hatten eine beispiellose Suchaktion gestartet, die alle digitalen Möglichkeiten nutzte. Am vierten Tag hatte der Bruder den Namen des Lkw-Fahrers ermittelt und ihn in Spanien ans Telefon bekommen. Die Interpol-Fahndung lief an. Der Rest ist bekannt: Der 41-Jährige wurde im August ausgeliefert. Er wartet in einer oberfränkischen Justizvollzugsanstalt auf seinen Prozess.
Jetzt ist ein weiterer, entscheidender Schritt getan. Die Staatsanwaltschaft Bayreuth gab bekannt, Anklage wegen Mordes erhoben zu haben. Man gehe davon aus, dass der Marokkaner die Studentin „angegriffen, in seine Gewalt gebracht und sie sodann getötet zu haben, um zuvor begangene Straftaten zu verdecken“. Ein Sexualdelikt ist nicht angeklagt. Leitender Oberstaatsanwalt Herbert Potzel wollte sich dazu nicht äußern. Angeklagt werden könne nur, was Grund für den Auslieferungsantrag war. In diesem Fall: der Mord. „Alles weitere wird sich zeigen.“
Der 41-Jährige bestreitet den Tatbestand eines Mordes. „Er räumt den ihm vorgeworfenen Tathergang nicht ein, sondern behauptet, Sophia L. im Rahmen einer Auseinandersetzung getötet zu haben“, so Potzel. Das Landgericht Bayreuth muss nun über die Zulassung der Anklage entscheiden und das Hauptverfahren eröffnen. Dann kann der Prozess vorbereitet und terminiert werden. Zu erwarten sind Auslandszeugen aus Spanien. Der Leichnam war dort rechtsmedizinisch untersucht worden sowie ein weiteres Mal bei der Rechtsmedizin Erlangen.
Andreas Lösche, der Bruder der Getöteten, hatte im Nachhall in einem offenen Brief an Polizeibehörden appelliert, künftig bei Vermisstenmeldungen schneller zu reagieren. Die Familie war bei einem ersten Anruf bei der Polizei am Freitagmorgen, 15. Juni, zunächst auf später vertröstet und am Wochenende dann zuständigkeitshalber von Amberg nach Leipzig verwiesen worden. Zu dieser Zeit liefen die privaten „Ermittlungen“ schon auf Hochtouren.
Es stellt sich die Frage: Hätte Sophia Lösche gerettet werden können? Todeszeitpunkt und Tatort werden von der Staatsanwaltschaft nicht genau definiert, aber man kann wohl davon ausgehen, dass die Tat sich zeitnah nach dem Verschwinden ereignet hat. Die Staatsanwaltschaft spricht von einem „nicht genau feststellbaren Zeitpunkt nach dem 14. Juni 2018, 19.55 Uhr“. Gegen 18.20 Uhr war die Studentin auf dem Rastplatz Schkeuditz bei Leipzig in den Lkw eingestiegen. Dies belegt ein Video der Tankstelle. Gegen 19.45 Uhr setzte sie eine letzte Textnachricht an einen Freund ab. Kurz danach war ihr Handy abgeschaltet.
Laut Medienberichten gibt es GPS-Daten, die eine längere Pause des Lkw auf dem etwa 240 Kilometer entfernten Rastplatz Sperbes an der A 9 belegen. Der Lkw soll dort am späten Abend über zwei Stunden gestanden sein. Dieser Rastplatz kommt als möglicher Tatort in Betracht.
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