Winterkönig: Bejubelte Premiere

Amberg
26.05.2019 - 12:51 Uhr

Bratwürstlduft hängt in der Luft. Die mächtige Tribüne vor der Mariahilfbergkirche füllt sich nach und nach. Die Rucksäcke sind kontrolliert worden, OB Michael Cerny hat seine Begrüßungspflicht erledigt. Das Wetter ist gnädig.

Im Amberger Welttheater bringen rund 100 hochmotivierte Darsteller und Sänger die wichtigsten Lebensstationen des Winterkönigs auf die Bühne. Das bunte Spektakel feierte am Freitagabend bejubelte Premiere. Es ist mit professioneller Licht- Ton- und Effekttechnik inszeniert und dauert knapp zwei Stunden. Als einmalige und umwerfende Kulisse dient die Mariahilfbergkirche. Insgesamt gibt es bis Pfingsten zwölf Open-Air-Aufführungen des Welttheaters.

Düsterer Glockenschlag schwingt durch die Abenddämmerung. Zwei Männer, Herr und Diener, betreten den Vorplatz. Es ist Friedrich V., geächteter Kurfürst von der Pfalz, böhmischer König ohne Reich, Verlierer der Schlacht am Weißen Berg. Als Kaufmann verkleidet kehrt er im Jahr 1632 in seine Geburts- und vormalige Residenzstadt Amberg zurück, jenem Ort glücklicher Tage.

Das Spiel vom "Herbst des Winterkönigs" beginnt. "Wofür hab ich gelebt?" singt Andy Kuntz, der bereits zum dritten Mal in die Rolle des unglücklichen Monarchen schlüpft. "Meine Welt liegt im Krieg ohne Hoffnung auf Sieg". Verzweiflung macht sich breit. "Wonach hab ich gestrebt?" Ringt er weiter mit sich und seinen Erinnerungen. "Sind am Ende des Lebens alle Fragen vergebens?"

Szenenwechsel - Männer in weiten Hosen, Mädchen und Frauen mit weiten, langen Röcken, großen Kragen und Hauben auf dem Kopf umringen einen Theaterkarren. Fahrendes Volk kommt in die Stadt mit einem Spektakulum der besonderen Art. "Wer Glück und Unglück sehen will" ist eingeladen, verkündet lauthals der Ansager (Jürgen Huber). Ab jetzt wird's ungezügelt und bunt. Die sieben Todsünden: Habsucht, Hoffahrt, Neid, Trägheit, Völlerei, Wollust und Zorn bestimmen das Geschehen. Drall und dürr, grün und gelb, geifernd und geil, je nach Lust und Laune spotten sie über die "hohen Herrschaften", über Friedrich und Elisabeth.

Grandios die Masken (Barbara Söllner und Team) der Komödianten, fantastisch die Karikaturen der herrschenden Klasse, perfekt und einfallsreich die Choreographie der Bürger. Ob Groß, ob Klein und sogar sehr Klein, alle waren voll bei der Sache und mit großer Begeisterung dabei. Während die belustigte Zuschauermenge den Stationen des Spiels grölend Beifall spendet, muss Friedrich mit ansehen, wie über ihn gelästert wird. Das erträgt er nicht. Er mischt sich ein, stellt die Situation aus seiner Sicht dar. Sein alter, treuer Diener (Reinhold Escherl) warnt ihn.

Der Thespiskarren teilt sich, der Blick auf die Kirchenfassade, die Prunktreppe, den mächtigen Turm, den gepflasterten Platz wird frei. Hier spielen im kühlen, strengen schwarz-weißen Ambiente die höfischen Szenen. Elisabeth Stuart wird hier ihre innige Zuneigung gestehen. "Das ist Liebe" singt Joanna Nora Lissai so zart und ganz in Weiß, dass das Publikum Gänsehaut bekommt. Noch einmal berührt sie ganz besonders das Herz, wenn sie ihre Einsamkeit im fernen Prag beklagt: "Ich werd' hier immer eine Fremde sein!" Auch Christian von Anhalt, der Statthalter der Oberpfalz mit Sitz in Amberg (Axel Meinhardt) und Abraham Scultetus, der Hofprediger (Georg Lorenz) fügen sich vollendet in diese kühle, calvinistische Machtmaschinerie zwischen Religion und Politik. Das gemeinsame Quartett mit dem Herrscherpaar liefern sie unglaublich intensiv. Von Gerechtigkeit, Tapferkeit, Beständigkeit und Wahrhaftigkeit psallieren sie. Die Kostüme sind edel, aber streng und dunkel, die Bewegungen gemäßigt, elegant aber unterkühlt. Die Posen imposant.

Beeindruckend was da zum dritten Mal von rund 100 Profi- und Laienschauspielern (Freudenberger Bauernbühne, Knappschaftskapelle Amberg, Haagerthaler Bauernbühne und Stadtwache Amberg) gezeigt wird. Mit welchem Enthusiasmus jede Szene glänzt. Die Stimmen harmonisch, treffsicher und eindrucksvoll, das Spiel bezaubernd, die Regie von Astrid Vosberg, die bisher Königin Elisabeth darstellte, ist einfallsreich. Mit bunten Spots, hellen Flutern und präzisen Projektoren, mit Fackelschein und Spezialbeleuchtung wird das ehrwürdige Gotteshaus in Szene gesetzt, die imposante Treppe hervor gehoben und gleichzeitig Stimmungen koloriert.

Die Musik von "Vanden Plas" setzt die Impulse dazu. Mit Schlagzeug, Gitarre, Bass und Keyboard übersetzen die Musiker die abwechslungsreiche Komposition von Roger Boggasch in gut verständliche Tonbilder von klassisch bis volkstümlich-rappend (musikalische Einstudierung und Leitung: Günter Werno). Die Szenische Konzeption von Johannes Reitmeier passt perfekt. Er hat sich das Stück einfallen lassen, und er sitzt auch unter dem Premierenpublikum, das beim Applaudieren fast kein Ende findet.

Video
Amberg24.05.2019
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