Anonym zwischen Sternen und Hauben: Ein bayerischer Restaurant-Tester erzählt

Bayern
18.09.2023 - 09:14 Uhr
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Er bewertet am liebsten unerkannt die Gourmet-Menüs in den besten Lokalen Bayerns. Ein Restaurant-Tester spricht über Geschmacksexplosionen, bei denen "man ganz deppert wird" und verrät wie er zu den Pommes bei McDonald's steht.

In Folge 40 ist ein Restaurant-Tester zu Gast.

Im Gespräch mit einem Restaurant-Tester:

Sie vergeben Sterne, Hauben, Pfannen, Punkte, Gabeln, Diamanten, Kronen, Kochlöffel, Schnecken und sogar Buchstaben. Welches Bewertungssystem aber der Restaurantführer hat, für den Leopold arbeitet, will er nicht verraten. Und eigentlich heißt er auch nicht Leopold. Wir nennen den Mann einfach mal so, weil er aus Bayern kommt und weil ihm dieser Name besonders gut gefällt. Er ist Journalist und er testet beruflich Restaurants – im Freistaat und im süddeutschen Raum. Recht viel mehr dürfen wir über ihn nicht preisgeben. Der Grund: Die Szene der Spitzenküche sei klein. Jeder kenne jeden. "Wenn man dort bekannt ist, kann man Gefahr laufen, dass man so etwas wie eine Sonderbehandlung erfährt", sagt Leopold. Und das wolle er auf keinen Fall. Schließlich will er genau das serviert bekommen, was auch jeder andere Gast in dem Lokal verspeist.

Wie er zum Restaurant-Tester wurde? "Das kann man nicht werden, da wird man gefragt", sagt er. Er koche gern, würde sich durchaus als Feinschmecker bezeichnen. Doch eines ist ihm wichtig: Er will nicht als abgehobene kulinarische Instanz wahrgenommen werden. So würde er beispielsweise auch Fast-Food nicht verteufeln. "Wenn ich auf der Autobahn unterwegs bin, dann fahre ich eben auch mal zu McDonald's, trinke einen Kaffee, esse ein paar von diesen nicht schlechten Pommes Frites und esse vielleicht einen Hamburger." Er wolle da keine Ideologie daraus machen. Eigentlich isst Leopold alles gerne – bis auf Tiefkühlpizza. "Die schmeckt ganz schauerlich."

Bodenständige Küche

Der Restaurant-Tester liebt die bodenständige deutsche, italienische und französische Küche – ohne viel Chichi. "Ich bevorzuge eine klassische Küche, wo die Gerichte fokussiert sind auf eine Hauptzutat, und nicht tausend verschiedene Geschmacksexplosionen nebeneinander, wo man ganz deppert wird und gar nichts mehr wirklich schmeckt", erklärt Leopold. Auf die in vielen Spitzenrestaurants obligatorischen "Grüße aus der Küche" könne er persönlich ganz gut verzichten. Auch die aktuellen kulinarischen Moden entsprechen nicht so richtig seinem Geschmack. Derzeit sei in den Spitzenküchen vor allem der euroasiatische Stil angesagt. Viel Crossover, viele Soja- und Miso-Geschmäcke – Geschmacksexplosionen eben.

Für ihn sei das schon recht nervig, weil eben viele preisgekrönte Köchinnen und Köche gerade nur auf diesen Stil setzen. Das sei ja oft nicht schlecht komponiert, ordnet er ein, aber er bekomme es eben gefühlt jeden zweiten Tag serviert. Doch Leopold betont auch: Als Restaurant-Tester ist es nicht seine Aufgabe, den Küchenstil an sich zu bewerten, sondern die handwerkliche Umsetzung und die Stimmigkeit der Gesamtkomposition. "Es kommt immer darauf an, dass man einen harmonischen Gesamteindruck bekommt." Und den hat Leopold bis jetzt auch immer noch gefunden. Schließlich hat er noch kein Lokal nach seinem Besuch drastisch abgewertet. Dass mal ein Fisch zu trocken war, ein Chip verbrannt ist oder eine Soße nach nichts schmeckt – "natürlich kommt das vor". Doch den richtigen kulinarischen Reinfall habe er noch nicht erlebt.

Kulinarischer Ruhm

Für Restaurants und ihre Mitarbeiter spielen Tester wie Leopold eine entscheidende Rolle. Denn die Guides können mit guten Bewertungen schnell ein Garant für wirtschaftlichen Erfolg werden. Vor allem die beiden bekanntesten Führer "Guide Michelin" und "Gault & Millau" versprechen mit ihren Sternen und Hauben kulinarischen Ruhm und mindestens nationale Bekanntheit. Andererseits ist aber eine Aberkennung zuvor errungener Auszeichnungen marketingtechnisch eine Katastrophe für die Lokale. Leopold wisse durchaus um seine Verantwortung, betont er. Doch eine möglichst objektive Bewertung als Wegweisung für die Leserinnen und Leser sei am Ende eben der Sinn der Sache.

Wenn Leopold einen Tisch reserviert, macht er das immer mit seinem echten Namen. Andere Kolleginnen und Kollegen würden falsche Identitäten verwenden, sagt er. Doch Leopold ist noch nicht lange dabei in der Tester-Szene, fällt also nicht zu sehr auf. Übrigens auch nicht, wenn er jedes Gericht fotografiert – wozu er zur Absicherung angehalten ist. Aber das würden ja viele andere Gäste im Zeitalter von Instagram und Tiktok auch tun. Einen Unterschied gibt es dann natürlich doch zwischen ihm und den anderen Restaurantbesuchern: Für den Tester bezahlt sein Auftraggeber die Rechnung. Denn am Ende ist es eben doch Arbeit, oder wie Leopold es beschreibt: "Man sitzt viel, man fährt viel durch die Gegend, man isst viel, das kann sehr anstrengend sein."

Hintergrund:

Bekannte Restaurantführer und Guides

  • Guide Michelin: vergibt Sterne
  • Gault & Millau: vergibt Hauben
  • Guide Bleu: vergibt Punkte
  • Fallstaff: vergibt Punkte und Gabeln
  • Der Feinschmecker: vergibt "F"s
  • Der Große Guide: vergibt Hauben
  • The World Restaurant Awards: vergibt Awards
  • Schlemmer Atlas: vergibt Kochlöffel
  • Varta-Führer: vergibt Diamanten
  • Slow Food Genussführer: vergibt Schnecken
  • Gusto: vergibt Pfannen
  • Hornstein Ranking: vergibt Kronen
 
 

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