Bayern
01.04.2020 - 11:26 Uhr

Bürgermeister in Rekordzeit

Mit 19 Jahren sind manche gerade erst mit der Schule fertig. Sie schreiben Bewerbungen für ihr erstes Praktikum oder wollen erstmal die Welt bereisen. Nicht so Kristan von Waldenfels: Er ist in dem Alter schon Bürgermeister in Lichtenberg.

Der mit 19 Jahren jüngste amtierende Bürgermeister Bayerns, Kristan von Waldenfels (CSU), sitzt in seinem Büro im Lichtenberger Rathaus. Neben ihm steht ein Porträt des Mitte Februar verstorbenen Vorgängers Holger Knüppel (CSU). Bild: Nicolas Armer/apa
Der mit 19 Jahren jüngste amtierende Bürgermeister Bayerns, Kristan von Waldenfels (CSU), sitzt in seinem Büro im Lichtenberger Rathaus. Neben ihm steht ein Porträt des Mitte Februar verstorbenen Vorgängers Holger Knüppel (CSU).

Lichtenberg. Kristan von Waldenfels ist außer Atem. Seit er um Punkt 7.30 Uhr das Rathaus der oberfränkischen Stadt Lichtenberg betreten hat, kommt er nicht mehr zur Ruhe. Erst ein Termin zum Bau eines Weges, danach eine Diskussion mit einem Architekten über einen geplanten Kindergarten. Nach ein paar Fotos für die Presse sprintet er schon wieder zurück ins Rathaus.

"Das macht unglaublich viel Spaß", sagt der CSU-Politiker, während er noch nach Luft schnappt. "Die Atmosphäre hier im Rathaus, die Zusammenarbeit überrascht mich." Später muss er sich noch auf die Stadtratssitzung vorbereiten und in Absprache mit der Nachbargemeinde überlegen, ob die Stadt in der Corona-Krise Mundschutz bestellt sollte.

Mit 52,53 Prozent zum Bürgermeister

Es ist Kristan von Waldenfels erster Tag als Bürgermeister - mit gerade einmal 19 Jahren. Bei der Stichwahl am Sonntag erhielt er 52,53 Prozent und damit nur 38 Stimmen mehr als sein Herausforderer von der SPD. "Ich wusste schon, dass es relativ knapp werden würde", sagt er rückblickend.

Bei der Wahl hätten sie die Briefwahlunterlagen sortiert, ein Stapel für ihn, einen für den SPD-Kandidaten. Immer wieder hätten sie versucht, die Stapel mit bloßen Auge zu vergleichen - am Ende war seiner ein kleines bisschen höher. "Das war natürlich ein unglaublicher Moment, den ich nie vergessen werde."

394 Bürger stimmten für ihn. Er ist nun der jüngste Bürgermeister in der zweitkleinsten Stadt Bayerns, so die Zahlen des Bayerischen Landesamt für Statistik. Gerade einmal 1041 Menschen leben Stand Ende September dort. In der "Ritterstadt mit Tradition im Frankenwald", wie es auf der Homepage der Stadt heißt.

Herrscher als Vorfahren

Eine Tradition, die nicht zuletzt auf das fränkische Adelsgeschlecht der Freiherren von Waldenfels zurückgeht. Seine Vorfahren haben im Jahr 1428 die Herrschaft Lichtenberg erworben, erzählt der 19-Jährige erst auf mehrfaches Nachfragen. Noch heute gebe es einige Spuren: Er selbst wohne am Waldenfelsplatz, das Stadtwappen ziere unter anderem das Einhorn vom Wappen seiner Familie. Und viele Häuser in der Stadt seien aus den Steinen der Burg, dem ehemaligen Familienanwesen, gebaut.

Die Burgruine ist bis heute das "Herz unserer Stadt", wie Lichtenberg auf seiner Homepage wirbt. Dort findet auch das Burgfest statt, eines der "bekanntesten und beliebtesten Mittelalterfeste im bayrischen Raum".

Viele verbinden Lichtenberg aber wohl eher mit dem Mord an Peggy. Das neunjährige Mädchen verschwand im Jahr 2001 nahe ihres Heimatorts; Kristan von Waldenfels war damals selbst erst ein paar Monate alt. Doch Lichtenberg ist auch bekannt für die Förderung junger Talente. In der ehemaligen Villa des Stargeigers Henri Marteau befindet sich ein Förderzentrum für junge Musiker.

Talent bekommt auch Waldenfels bescheinigt: "Er hat in den vergangenen Monaten schon sehr viel von dem erkennen lassen, was für einen Bürgermeister wichtig ist: Mit den Menschen sprechen, ihre Themen ernst nehmen und versuchen, gemeinsam die beste Lösung zu erarbeiten", lobt der Hofer Landrat Oliver Bär seinen Parteikollegen. Beide kennen sich, seit Kristan von Waldenfels vor drei Jahren ein Schulpraktikum bei ihm gemacht hat. "Ein Tag beim Chef", so Bär.

Unterstützung von Kollegen

"Aufbruch mit Erfahrung an der Seite", nennt Kristan von Waldenfels seine Strategie. Er selbst wisse natürlich nicht, was zu einem Thema vor 30 Jahren im Stadtrat diskutiert wurde. Er habe auch noch nie einen Haushalt verabschiedet - aber seine Kollegen. "Ich bekomme unglaublich viel Unterstützung. Ohne unsere Mannschaft hätte ich das nie geschafft."

Erst Ende 2018 trat er in die CSU ein, Anfang 2019 war er schon Vorsitzender des Ortsverbands. Als sein Amtsvorgänger Holger Knüppel nicht mehr zur Wahl antreten wollte, stellte die CSU schließlich den 19-Jährigen auf. "Ich bin sehr dankbar, dass sie so mutig waren", sagt von Waldenfels, dem nicht viel Zeit zum Einarbeiten bleibt. Weil sein Vorgänger Anfang des Jahres starb, übernimmt er jetzt schon die Geschäfte.

Jura-Studium in Bayreuth

Das Bürgermeisteramt ist ehrenamtlich, nebenher will von Waldenfels weiter Jura an der Universität Bayreuth studieren. "Meine Aufgabe hilft mir an der Uni, gerade bei trockenem Verwaltungsrecht kann es für mich als Bürgermeister spannend werden", glaubt er. "Umgekehrt wird mir mein Studium auch als Bürgermeister helfen."

Auch Michael Bergrab, Bürgermeister im oberfränkischen Lisberg, forscht parallel an der Universität Bamberg. Er war nach Angaben des Bayerischen Landesamts für Statistik bisher der jüngste Bürgermeister in Bayern. Bei der Kommunalwahl 2014 holte er knapp 70 Prozent - mit damals 22 Jahren. "Man hat oft das Bild im Kopf: Ein Bürgermeister muss graue Haare haben", meint Bergrab, der heuer mit großer Mehrheit wiedergewählt wurde.

Dabei sei es gerade reizvoll, in jungen Jahren politisch aktiv zu sein. "Wenn ich jetzt ein Bauprojekt umsetze, kann ich in 30 oder 40 Jahren sehen, wie es angenommen wird", sagt der heute 28-Jährige. Viele ältere Kollegen würden nicht mehr miterleben, was sie langfristig bewirken konnten und was nicht.

Verantwortung übernehmen und nachhaltig etwas verändern will auch von Waldenfels. Mit dem Bau eines Kindergartens, dem Ausbau der Straßen und der Ausweisung von Bauplätzen möchte er junge Familien in die Stadt holen. Außerdem will er die Planungen der umstrittenen Frankenwaldbrücken vorantreiben. Die zwei riesigen Hängebrücken sollen Touristen nach Lichtenberg locken. "Ich kann mir keine schönere Heimat vorstellen. Das müssen wir allen zeigen."

 
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