München
04.05.2022 - 14:28 Uhr

Beben in der CSU: Markus Söder braucht einen neuen Generalsekretär

CSU-Generalsekretär Stephan Mayer ist nach nur 70 Tagen im Amt zurückgetreten. Als Grund nennt er seine angeschlagene Gesundheit. Es geht aber wohl auch um einen inakzeptablen Ausraster und CSU-internes Gegrummel.

Stephan Mayer trat als CSU-Generalsekretär zurück. Er war 70 Tage im Amt. Archivbild: Peter Kneffel
Stephan Mayer trat als CSU-Generalsekretär zurück. Er war 70 Tage im Amt.

"Ländlicher Raum, konservativ, katholisch." Drei Begriffe, die eigentlich unverfänglich klingen. Mit ihnen hatte CSU-Chef Markus Söder im Februar den Amtsantritt seines neuen Generalsekretärs Stephan Mayer eingeleitet. Mayer, der Oberbayer aus Altötting, sollte eine zunehmend offene Flanke der CSU abdecken, die vielen Stammwählern unter dem Vorsitzenden Söder und Mayers Vorgänger Markus Blume zu großstädtisch, zu modern und zu grün geworden war. Daraus wird jetzt vorerst nichts. Am Dienstagabend ist Mayer nach nur 70 Tagen im Amt überraschend zurückgetreten, seine Nachfolge ist offen.

Der Aufgabenzuweisung als Bannerträger des Konservativen und des Katholischen ist Mayer jetzt zum Opfer gefallen - zumindest indirekt. Vergangene Woche vermeldeten einige bunte Blätter im Land, der ledige Mayer verleugne einen unehelichen Sohn. Selbst wenn an der Geschichte etwas dran sein sollte, wäre das Mayers Privatsache und sollte in der heutigen Zeit kein Aufreger mehr sein. Horst Seehofer zum Beispiel hatte - seinerzeit hinausposaunt von einem großen Boulevard-Blatt - außerehelich eine Tochter gezeugt und wurde später trotzdem CSU-Chef und Ministerpräsident. Mit ehrlicher und geschickter Kommunikation lassen sich private Fehltritte - so es sie überhaupt gegeben hat - auch erfolgreich wegmoderieren.

Äußerst dünnhäutig und offenbar gefangen in seinem Auftrag als konservativer Katholik wählte Mayer einen anderen Weg. Er machte dem Vernehmen nach am Telefon den Redakteur der Illustrierten "Bunte" so richtig rund, der für die Geschichte mit dem angeblich verleugneten Sohn verantwortlich ist. Der Journalist habe sein Leben zerstört, er werde ihn persönlich "vernichten" und "bis ans Ende seines Lebens verfolgen", soll Mayer unter anderem gedroht haben. Es gibt dafür wohl eine Ohrenzeugin. In seiner Rücktrittserklärung schreibt Mayer nun im trockenen Tonfall des Juristen, der er ist, die Berichterstattung der "Bunten" sei "eklatant rechtswidrig" gewesen. Die ihm zugeschriebenen Aussagen bestreite er mit "Nichtwissen". Sollten sie gefallen sein, habe er eine "Wortwahl verwendet, die ich rückblickend nicht für angemessen betrachten würde". Als eigentlichen Rücktrittsgrund nennt der 48-Jährige aber seine angeschlagene Gesundheit.

"Nicht Stil der CSU"

Die führt am Tag darauf auch Söder in einem knappen Statement vor der Presse an. "Es geht ihm tatsächlich nicht gut", erklärt Söder, ohne nähere Einzelheiten zu nennen. Es folgt ein kurzes Loblied auf Mayer, der sich in seinen Ämtern bislang "stets bewährt" habe. Auch sein Start als Generalsekretär sei "exzellent und vielversprechend" gewesen. Dann geht Söder auf die kolportierten Aussagen Mayers aus dem Telefonat mit dem "Bunte"-Redakteur ein. "Wir als CSU waren über diese Wortwahl erschüttert, wenn sie denn so gefallen ist", sagt er etwas einschränkend, denn konkret, so schildert es Söder, könne sich Mayer nicht mehr erinnern. In jedem Fall wären die Worte "nicht Stil der CSU und schon gar nicht meiner", betont Söder. Sie seien "in keinster Weise zu akzeptieren und völlig unangemessen".

Auch sonst wird der emotionale Ausbruch Mayers in der CSU vielfach mit Kopfschütteln quittiert. Natürlich dürfe man sich bei der Berichterstattung so mancher Medien nicht alles gefallen lassen, heißt es, aber in einer Position wie der Mayers dürfe man auch nicht derart "ausrasten". Und Söders Einschätzung, dass Mayers Start als Generalsekretär "exzellent und vielversprechend" gewesen sei, wird längst nicht von allen geteilt. Schon vor der Veröffentlichung der angeblichen Details aus Mayers Privatleben und deren Weiterungen war innerhalb der CSU Unzufriedenheit über das Wirken des neuen Generals zu vernehmen.

Nachfolger-Liste ist kurz

Nun sind die Zeiten, in denen CSU-Generalsekretäre in erster Linie die zähnefletschenden Wadlbeißer ihres Chefs zu sein hatten, lange vorbei. Die letzten dieser Art waren Edmund Stoiber und Erwin Huber in den Weiten des vergangenen Jahrtausends, später mit Abstrichen noch Söder selbst. Aber ein bisschen mehr Attacke haben sich viele in der CSU von Mayer schon gewünscht. Es sorgte für anschwellendes Gegrummel, dass öffentlich wahrnehmbare Angriffe auf die "Ampel" in Berlin fast nur von Söder kamen und vielleicht noch vom Berliner CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt. Mayer fand medienmäßig dagegen praktisch nicht statt.

Auch als CSU-Stimme für den ländlichen Raum, wie Söder das angeteasert hatte, wurde Mayer kaum aktenkundig. Der Plan war, ihn als Gegengewicht zum gerade auf dem Land umtriebigen Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger zu implantieren, der der CSU vor allem in den Dörfern die Wähler abspenstig macht. Doch während Aiwanger unter dem Gejohle der Besucher in den wiedereröffneten Bierzelten volksnah schwadronierte, die zwei Corona-Jahre ohne Volksfeste hätten bei den Bayern "psychische Schäden" hinterlassen, wirkte Mayer wie untergetaucht.

Jetzt ist er das wirklich, um gesundheitlich wieder auf die Beine zu kommen. "Ich wünsche ihm alles, alles Gute und vor allem gute Besserung", erklärt ein von Mayers Schicksal "persönlich sehr betroffener" Söder am Ende seines Statements. Es tue ihm um Mayer leid, alles sei "schade und ein Stück weit eine menschliche Tragödie". Für die Vorbereitung der Landtagswahl 2023 braucht die CSU nun einen neuen Generalsekretär. Die Liste der möglichen Kandidaten ist kurz, am häufigsten genannt werden der frühere Vize-General und Bundestagsabgeordnete Florian Hahn und Bayerns Agrarministerin Michaela Kaniber. Man wolle "zeitnah entscheiden", um wieder rasch handlungsfähig zu sein, kündigt Söder am Mittwoch an. Weißer Rauch noch in dieser Woche ist nicht ausgeschlossen.

 
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