20.09.2024 - 15:53 Uhr

Die Grünen wollen sich mehr um die Bauern kümmern

Maue Umfragewerte, keine Machtoption in Bayern, die eigenen Themen zünden nicht – die Grünen stecken in einer Sinnkrise. Auf der Herbstklausur arbeitet die Landtagsfraktion tapfer dagegen an. Die Stimmung war aber schon mal besser.

Die Stimmung bei den Grünen in Bayern war schon mal besser. Trotzdem wollen sie ihre Sacharbeit nicht einstellen. Symbolbild: Karl-Josef Hildenbrand/dpa
Die Stimmung bei den Grünen in Bayern war schon mal besser. Trotzdem wollen sie ihre Sacharbeit nicht einstellen.

Johannes Becher hat sich sicher einen schöneren Zeitpunkt gewünscht, um einmal ganz vorne im Rampenlicht der bayerischen Grünen zu stehen. Er ist stellvertretender Vorsitzender der Grünen im Landtag, weshalb er die Herbstklausur in Würzburg anstelle von Fraktionschefin Katharina Schulze leitet, die Anfang September zum zweiten Mal Mutter geworden ist. Jetzt muss Becher den Sinkflug erklären, in dem die Grünen stecken. Wäre am Sonntag Landtagswahl, käme die Partei in Bayern gerade noch auf zehn Prozent, hat eine Umfrage im Auftrag des TV-Senders "Sat.1 Bayern" ergeben – weit weg von den 17,6 Prozent bei der Landtagswahl 2018 und den damaligen Blütenträumen von einer bayerischen Volkspartei.

"Die aktuelle Stimmungslage ist bekannt, die Performance der Bundesregierung auch", sagt Becher also. Bei Letzterem meint er weniger die Inhalte als vielmehr den Umgang der Ampel-Partner miteinander. Aber wie gegen den dadurch ausgelösten Vertrauensschwund bei den Bürgern angehen? Zumal Klima- und Umweltschutz, wofür den Grünen laut Umfragen weiterhin die größte Kompetenz zugemessen wird, bei den Menschen nicht mehr ganz oben auf der Agenda stehen. "Mit substanzieller Sachpolitik pragmatische Lösungen für die Themen anbieten, die die Menschen bewegen", erklärt Becher und klingt dabei trotzdem etwas ratlos. Man werde darüber noch intern beraten.

Klare Haltung bei Migration

Am meisten bewegt die Menschen gerade die Frage der Migration. Genau da aber sieht Becher bei den Grünen keinen Handlungsbedarf: "Wir haben da eine ganz klare Haltung: Den Menschen in Not helfen und denen eine Chance geben, die zu uns gekommen sind." Dazu gehöre aber auch, dass diejenigen nicht Teil unserer Gesellschaft werden könnten, die ihre Chance nicht ergriffen. "Die Fleißigen, Anständigen und Schutzbedürftigen müssen sich durchsetzen, und die, die anders unterwegs sind, die müssen wieder gehen", formuliert Becher. Von Begrenzung oder Zurückweisung redet er nicht.

Genauso wenig will es Becher zum großen Thema machen, dass künftige grüne Regierungsoptionen durch den Abgrenzungskurs von CSU-Chef Markus Söder immer kleiner werden. Zu "machtstrategischen Fragenstellungen" wolle er sich nicht äußern. Dabei wird bei den Grünen sehr wohl darüber geredet. Als Gast auf der Klausur sagt Katharina Dröge, Fraktionschefin im Bundestag, nach ihrem Verständnis von Politik müssten alle demokratischen Kräfte untereinander koalitionsfähig sein. Schließe man bestimmte Konstellationen kategorisch aus, befinde man sich früher oder später in der Situation der CDU in Thüringen und Sachsen, wo man plötzlich auf extreme Parteien wie das Bündnis Sahra Wagenknecht angewiesen sei.

Stichelei gegen Söder

Wie dem auch sei, mit Söder und seiner Grünen-Allergie wird sich die Partei in Bayern nach dessen Rückzieher in Sachen Kanzlerkandidatur noch länger auseinandersetzen müssen. Dass Söder schon zum zweiten Mal frühzeitig seine Kanzlerambitionen begraben musste, verleitet Becher immerhin zu einer Stichelei: "Wieder verloren – bei mir daheim würde man sagen: Gewogen und für zu leicht befunden!" Ein kleines Hochgefühl in der sonstigen Machtlosigkeit. Schließlich übernimmt Söder, wenn es ihm gerade passt, weiterhin schamlos Positionen der Grünen, ohne auf das Copyright zu achten. Jüngstes Beispiel die Arbeitspflicht für Geflüchtete. "Lieber habe ich die auf der Baustelle als am Herumsitzen", hatte Becher vor wenigen Monaten dafür im Landtag geworben und von der CSU Widerspruch erfahren. Jetzt sagt selbst Söder: "Weg von der Straße, hin zur Arbeit."

Trotzdem wollen die Grünen ihre Sacharbeit nicht einstellen. Auf der Klausur geht es um Schutz und Stärkung der Demokratie und um die Agrarpolitik. Es brauche eine Klimawandel-Beratung für Landwirte und mehr Forschung zur Klimaresilienz. Zudem müssten Landwirte besser für Umwelt- und Wasserschutzmaßnahmen honoriert, kleinere Betriebe insgesamt höher gefördert werden. Um regionale Erwerbsquellen zu stärken, fordern die Grünen für alle öffentlichen Kantinen eine Bio-Quote von mehr als 50 Prozent, der Rest soll aus regionaler Erzeugung kommen. Viele Gespräche und zwei Thesenpapiere in zwei Tagen – Kurzzeitchef Becher ist mit den Klausurergebnissen zufrieden.

 
Kommentare

Um Kommentare verfassen zu können, müssen Sie sich anmelden.

Bitte beachten Sie unsere Nutzungsregeln.

Klicken Sie hier für mehr Artikel zum Thema:
Zum Fortsetzen bitte

Sie sind bereits eingeloggt.

Um diesen Artikel lesen zu können, benötigen Sie ein OnetzPlus- oder E-Paper-Abo.