Markus Söder steht wieder einmal an einer entscheidenden Weggabelung der Corona-Politik. Fast überall im Land sinken die Infektionszahlen, das weckt Begehrlichkeiten nach lange ersehnten Lockerungen. Geäußert werden diese nicht nur von Teilen der Opposition und vom Koalitionspartner Freie Wähler, Söder spürt wachsenden Druck auch aus den eigenen Reihen. Er weiß, dass er genervten, mitunter auch verzweifelten Menschen Perspektiven aufzeigen muss. Auf der anderen Seite drohen Mutationen, den im Lockdown teuer erkauften Fortschritt wieder zunichte zu machen. Was also tun?
Der Stratege Söder scheint an der Gabelung wieder einen Mittelweg gefunden zu haben. Seine Regierung hebt die nächtliche Ausgangssperre weitgehend auf, deren Nutzen zur Pandemie-Bekämpfung ohnehin umstritten war. Und sie lässt eine vorsichtige Öffnung von Schulen und Kitas zu, was für viele Familien eine spürbare Entlastung bringen wird. Es sind Maßnahmen mit breiter Wirkung, aber begrenztem Risiko.
Ansonsten bleibt Söder seiner vorsichtigen Linie treu. Händler, Gastronomen, Amateursportler und Künstler müssen sich weiter gedulden. Das ist hart, aber vermutlich notwendig. Denn wie schnell sich das Blatt noch immer wenden kann, erfahren gerade tragisch die Menschen im Nordosten Bayerns. Dass andere auch bei deutlich günstigeren Inzidenzwerten weiter im Lockdown leben müssen, ist deshalb nicht nur eine Frage der Vernunft, sondern auch ein Akt der Solidarität.