Für seine Kriminalromane und Krimi-Drehbücher ist der Münchner Schriftsteller Friedrich Ani bekannt. Dass er auch beeindruckende Lyrik verfasst, hat er zuletzt 2017 mit „Im Zimmer meines Vaters“ gezeigt. Jetzt ist sein neues Buch mit "Balladen, anderen Gedichten und einem Zwiegespräch" erschienen – politisch, persönlich und immer einen Augenblick des Nachdenkens wert. Was er an der Balladen-Form schätzt und wie er den aktuellen Umgang der Politik mit Kunst und Kultur empfindet, erzählt der 61-Jährige im Interview:
ONETZ: Herr Ani, in Ihrem neuen Band „Die Raben von Ninive“ beleben Sie eine rar gewordene literarische Gattung. Was macht die Balladen-Form für Sie attraktiv?
Friedrich Ani: Balladen sind wie Songs, die man nicht singen muss, die aber genauso klingen, wenn man sie liest. Rhythmus, Melodie, eine Geschichte, ein Drama. Balladen sind mehrere Kunstformen in einer, und ich habe diese Form immer hochgeschätzt
ONETZ: In einem unserer früheren Interviews haben Sie gesagt, Gedichte seien für Sie die Quintessenz Ihrer Beobachtungen, Ihrer Gedanken und Ihrer Versuche, etwas zu begreifen. So gesehen changieren Ihre aktuellen Eindrücke zwischen düster und rabenschwarz?
Es herrscht Düsternis, das ist unübersehbar, manchmal changierend ins mondlos Finstere. Aber das Glück existiert weiter, die Liebe, der Übermut und die Komik. Solches findet auch in meinen Gedichten statt.
ONETZ: Würden Sie eigentlich so manchen Nationalisten und Verfassungsschützern gerne mal persönlich die Balladen „Deutsche Geschichte“ oder „Aufzählung“ vorlesen?
Die sollen selber lesen, falls sie’s können.
ONETZ: Auch der Umgang mit Flüchtlingen treibt Sie nach wie vor um. Die Corona-Pandemie hat die Lage zusätzlich verschärft. Was ist zu tun, um als Gesellschaft jetzt nicht auch noch den letzten Rest Empathie, Hilfsbereitschaft und Gemeinsinn zu verlieren?
Mit oder ohne Corona: Nächstenliebe, Respekt und Ehrlichkeit sind die Basis für ein lebendiges Miteinander. Jeder und jede von uns ist gefordert, jeden Tag. Wenn wir die Empathie verlieren, haben wir als Menschen unsere Existenzberechtigung verloren.
ONETZ: Wie sind Sie selbst über die letzten schwierigen Lockdown- und Teil-Lockdown-Monate gekommen?
Ich habe gearbeitet, was geschrieben, viel gelesen, mehr Zeit als sonst mit meiner Frau verbracht. Als Autor bin ich es gewöhnt, allein in einem Zimmer zu sein.
ONETZ: Fühlen Sie sich als freischaffender Künstler derzeit tatsächlich wertgeschätzt von Politik und Gesellschaft?
Die Wertschätzung der Kultur durch die politisch Verantwortlichen ist bei null. Erstaunlich angesichts der Tatsache, dass ungefähr 1,7 Millionen Menschen in der Kulturbranche arbeiten und inklusive der Veranstaltungsbranche rund 13 Milliarden Euro im Jahr umsetzen. Und jetzt gelten wir als Freizeitgestalter. Armselig, niederschmetternd, traurig und zynisch angesichts der finanziellen Notlage hunderttausender Künstlerinnen und Künstler.
ONETZ: Rechnen Sie in diesem Winter noch mit Lesungen oder konzentrieren Sie sich stattdessen ausschließlich auf neue Romane, Drehbücher und Gedichte?
In diesem Jahr mache ich keine Lesungen mehr, ich arbeite weiter und schnitze mir Zuversicht fürs nächste Jahr.
Zum Buch
"Die Raben von Ninive - Balladen, andere Gedichte und ein Zwiegespräch" von Friedrich Ani, 172 Seiten, gebunden, ist am 28. September bei Suhrkamp Taschenbuch erschienen und kostet 18 Euro.
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