Ihr Abwarten, manchmal sogar ihr Zögern, war bisher die Stärke der Bundeskanzlerin. So gelang es Angela Merkel, zur mächtigsten Frau der Welt gekürt zu werden. Doch inzwischen ist ihre einstige Tugend ein Fluch geworden - für sie selbst, für Deutschland und für Europa. In Zeiten, in denen Emotionen Menschen mehr bewegen als Fakten, begeistern diejenigen und bestimmen die politische Agenda, die ihre Ideen als Erste und am lautesten verkünden.
Der französische Präsident Emmanuel Macron hat das begriffen. Merkel nicht. Deshalb reagiert sie so zögerlich auf dessen Vorschläge zur Reform Europas. Während der Franzose bereits zweimal - nach der Bundestagswahl im Herbst und Anfang Mai bei der Verleihung des Karlspreises - seine Vorstellungen ausbreitete, stellt Merkel ihre viel zu spät vor und bietet zum Verdruss vieler nur technokratische Reformvorschläge. Die Begeisterung für Europa wird so nicht wieder angefacht, noch kann neue entstehen.
Dabei ist Begeisterung für Europa so notwendig wie nie seit Ende des Zweiten Weltkriegs. Damals hat die Erfahrung der blutigen Katastrophe des Krieges alle motiviert die Einigung des europäischen Kontinents voranzutreiben. Heute ist vergessen, dass die Konkurrenz der Nachbarstaaten immer wieder zu Krieg geführt hat. Nationalisten und Populisten versprechen in der Renationalisierung das vermeintliche Heil.
Macron setzt dieser nationalistischen Gaukelei seinen europäische Esprit entgegen. Merkel muss ihn dabei unterstützen, zum Wohl beider Länder und zum Wohl Europas. Bis zum EU-Gipfel Ende Juni hat sie Zeit, nachzubessern.
04.06.2018 - 17:51 Uhr
Merkel muss Macrons europäischen Esprit unterstützen
Kommentar von Alexander Pausch
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