Mit der Sondersitzung des Landtags ist die unappetitliche "Flugblatt-Affäre" um Hubert Aiwanger formal erledigt. Nach 35 Jahren hat sich der Sachverhalt um das Nazi-Pamphlet in Aiwangers Schultasche - auch wegen dessen seltsamen Erinnerungslücken - nicht mehr vollständig aufklären lassen. Vor Gericht hätte es wohl einen Freispruch aus Mangel an Beweisen gegeben. Das ist unbefriedigend, aber besser als ein auf Verdacht und Vermutung beruhendes Urteil. Insofern ist die Entscheidung von Markus Söder nachvollziehbar, Aiwanger im Amt zu belassen.
Außer bei den Freien Wählern findet sich aber niemand, der Aiwangers Krisenmanagement für gelungen halten würde. Aiwanger hat es versäumt, sofort nach Veröffentlichung der Vorwürfe umfassend aufzuklären, sich entschieden vom dem Pamphlet zu distanzieren und in Wort und Tat ein klares Bekenntnis gegen Antisemitismus abzulegen. Sein tagelanges Geeiere hat die Sache erst zu der gemacht, die sie geworden ist. Dass er und die Freien Wähler davon am Ende sogar profitieren könnten, irritiert, steht aber auf einem anderen Blatt.
Die "Flugblatt-Affäre" ist auch ein Schlaglicht auf das "System Aiwanger". Der Niederbayer ist ein Instinktpolitiker, wie es sie selten gibt, und der Inbegriff einer One-Man-Show. Aiwanger vertraut vor allem auf seine Wahrnehmung und sein Gefühl. Das macht ihn so authentisch und bürgernah. Es ist aber auch seine große Schwäche, weil er sich immer wieder in politische Irrgärten verrennt und Zweifel an seiner demokratischen Gesinnung schürt. Es wäre Aufgabe der Freien Wähler, in solchen Fällen rasch und nachdrücklich korrigierend auf ihren Chef einzuwirken.
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