Nein, noch ist man in der "Bayern-Koalition" lange nicht soweit, dass man sich gegenseitig als "Gurkentruppe" oder "Wildsau" titulieren würde, wie das Schwarz-Gelb in Berlin vor bald 15 Jahren tat. Auch gibt es keine Meldungen, wonach sich jemand vorzeitig und grußlos aus Koalitionstreffen verabschiedet hätte. So soll das in der Ampel schon vorgekommen sein. Aber die Zeit der Säuseleien, als CSU und Freie Wähler 2018 ihr Regierungsbündnis eingegangen sind, ist lange vorbei. Die Beziehung geht gerade erkennbar auf das "verflixte siebte Jahr" zu.
Begonnen haben – oder zumindest öffentlich wahrnehmbar wurden die Gereiztheiten in der Corona-Zeit, als sich die Freien Wähler dem von CSU-Ministerpräsident Markus Söder angeführten "Team Vorsicht" nicht immer anschließen wollten, und Söder im Gegenzug den Impfstatus von Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger thematisierte. Eine dicke Kerbe ins Holz schlug Aiwanger dann mit seinem Auftritt bei der Erdinger Heizgesetz-Demo im vergangenen Juni, als er anders als Söder den Schulterschluss mit "Querdenkern" und Rechtspopulisten übte. Die Folge waren im Herbst vorbelastete Koalitionsgespräche, in denen die CSU den Freien Wählern ein Demokratiebekenntnis abtrotzen wollte. Einige verbale Scharmützel und eine lautstarke Aussprache später schloss man mit dem neuen Koalitionsvertrag einen Burgfrieden.
Von einer Demo zur nächsten
Der Burgfrieden bröckelt aber nun seit einigen Wochen. Genauer gesagt, seit Aiwanger auf den großen Bauern-Demos den politischen Wortführer gibt. Es ist nicht nur so, dass die CSU ihn da im eigenen Agrar-Biotop wildern sieht. Denn CSU-Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber, der schon bei der Erwähnung des Namens Aiwanger die Zornesblitze in den Augen funkeln, müht sich redlich, dem Freien Wähler öffentlich Paroli zu bieten. Was die CSU zunehmend besorgt, ist vielmehr, dass Aiwanger aus deren Sicht vor lauter Demo-Hopping und der augenfälligen Konzentration auf seine neuen Zuständigkeiten für den Staatsforstbetrieb und das Jagdrecht sein Kerngeschäft als Wirtschafts- und Energieminister vernachlässigt.
Aus den zuletzt von seinem Ministerium veröffentlichten Terminplänen könnte man das in der Tat ableiten. Demos und Verbandstreffen bei den Bauern, Jagdmesse, Sportschützenbund, Waldbesitzerempfang – solche Dinge reihen sich da aneinander. Jetzt wird Aiwanger sogar eine Mitschuld daran gegeben, dass am Sonntag per Bürgerentscheid das von der Staatsregierung vorangetriebene Prestigeprojekt eines großen Windparks im Burghausener Chemiedreieck teilweise gestoppt wurde. Aiwanger sollte dort eigentlich schon Anfang Januar als zuständiger Minister bei einer Veranstaltung für das Vorhaben werben, ging seinerzeit aber lieber auf eine Bauern-Demo. Zwei Wochen später schlug er doch noch auf, aber da hatten bereits rund drei Viertel der Bürger per Briefwahl abgestimmt – mit großer Mehrheit gegen die Windräder. Dass Söder sich zuletzt gar nicht hat blicken lassen vor Ort, raunen nun die Freien Wähler.
Harmonie fühlt sich anders an
Auch auf den Ebenen unter den Spitzenleuten nehmen die kleineren Scharmützel zu. Als Kultusministerin Anna Stolz (Freie Wähler) laut darüber nachdachte, ob man zugunsten von mehr Deutsch und Mathe unter anderem auf die dritte Wochenstunde Religion in der Grundschule verzichten könnte, lief bei der CSU die Empörungsmaschine heiß. Zuvor schon verkündete Digitalminister Fabian Mehring (Freie Wähler), er wolle Faxgeräte als veraltete Technik aus bayerischen Amtsstuben verbannen. Da verwies Heimatminister Albert Füracker (CSU) darauf, dass es noch immer viele Menschen gebe, die den Behörden Dokumente per Fax schicken wollten. Was Mehring zu der Replik animierte, es gebe mancherorts eine "hartnäckige Sentimentalität zugunsten des Faxes". Schon länger kriselt es zwischen Umweltminister Thorsten Glauber (Freie Wähler) und CSU-Agrarpolitikern wegen der "roten Gebiete" beim Grundwasserschutz. Alles keine Dinge, die eine Koalition zum Platzen bringen könnten, aber Harmonie fühlt sich anders an.
In dieser Woche nun wähnten sich die Freien Wähler als selbsternannte Hüter des ländlichen Raums von der CSU auf den Schlips getreten. In eine Resolution zur Stärkung des Landes hatte diese fast wörtlich mehrere Passagen aus dem gemeinsamen Koalitionsvertrag gepackt und exklusiv deren Umsetzung versprochen. "Dass die CSU unsere gemeinsame Agenda für den ländlichen Raum jetzt als eigene Ideen verkauft, ist offensichtlich ein Reflex darauf, in der Fläche nicht mehr als Kümmerer wahrgenommen zu werden", merkte Freie-Wähler-Fraktionschef Florian Streibl dazu pikiert an. Sein CSU-Kollege Klaus Holetschek nahm das äußerlich ungerührt zur Kenntnis. Streibls Einlassung sei ein "Geplänkel, das überflüssig ist".
Im Juni ist Europawahl, da wollen die Freien Wähler bei Bauern und Konservativen zusätzliche Stimmen holen, auch von der CSU. Man wird sehen, ob es im Wahlkampf bei Plänkeleien bleibt.













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