Arvid Nero: "Little White Dove" (Atlas Rec.)
Der schwedische Singer/Songwriter ist Vater geworden – und sieht seitdem die Welt mit anderen, viel intensiveren Augen, hinterfragt die Sinnhaftigkeit so mancher Dinge auf seinem neuen Album. „Out In the Night“ eröffnet das atmosphärische Werk, und man glaubt fast, den jungen Jim Morrison zu hören, was durch die typische Doors-Orgel noch verstärkt wird. Der zärtelnde Titeltrack evoziert dann eher Vergleiche mit Antony Hegarty – ohne dessen bisweilen nervende Exaltiertheit. Die angedeutete Stimmakrobatik im verschleppten, somnambulen „Out Of The Blue“ rückt Nero in die Nähe eines Tim Buckley, auf „Wind“ schiebt sich Nick Drake in den Fokus. Sensationell!
Jon Allen: "… Meanwhile" (Bertus)
Einst entdeckt von Mark Knopfler, hat der Mann nun schon sein fünftes Album auf dem Buckel. Darauf erzählt er Geschichten, die „zwischen den Zeilen“ spielen – und das mit einer Stimme, die rau und zärtlich zugleich ist, zwischen Joe Cocker und Chris Rea oszilliert, wobei „Hold On“ auch als waschechter Springsteen-Song durchgehen würde. Leider ist der früher auch mal gepflegte Soul nur mehr in Spurenelementen auszumachen. Streicherverzierte Soft-Rock-Balladen wie „How Long“ werden ihm dabei den Weg ebnen, verdient hat er es allemal.
Crosby, Stills, Nash & Young: "Deja Vu" (Rhino)
Sie waren wohl eine der ersten Super-Groups der Rockgeschichte, kamen von Buffalo Springfield, den Byrds und den Hollies. Nicht nur ihr Auftritt beim Woodstock-Festival machte die Formation unsterblich, traf sie doch mit ihren politisch motivierten Texten („Ohio“) und dem nie mehr erreichten Satz- und Chorgesang den damaligen Zeitgeist. Das Debüt feiert aktuell seinen 50. Geburtstag und erscheint daher neu remastert in einer aufwändigen 4-CD- oder 5-LP-Version mit zusätzlichen zweieinhalb Stunden alternativen Takes und Mixes, frühen Demo-Versionen und erstmals einem Duett von „Our House“ mit Graham Nash und Joni Mitchell. Zeitlos gut.
Chris Eckman: "Where The Spirit Rests" (Indigo)
Der Walkabouts-Frontmann wandelt mal wieder auf Solo-Pfaden. Seit einiger Zeit ansässig in Ljubljana, hat er dort zusammen mit dem Musiker/Produzenten, Alastair McNeill (unter anderem Roisin Murphy) sowie einigen befreundeten Musikern (etwa Chris Cacavas) in dessen Studio sein fünftes Werk aufgenommen. Und Eckman hat es nicht eilig. Völlig losgelöst und entspannt erzählt er seine wortgewaltigen Kurzgeschichten. Denen würden eigentlich Stimme und Akustikgitarre genügen, setzen aber Pedal Steel, Standbass, Klavier, Cello, Violine oder Viola ihre i-Tüpfelchen auf. Zen-Musik für die Seele.
Salvador Sobral: "BPM" (Warner)
Vor einiger Zeit haben wir einmal mehr den Eurovision Song-Contest überstanden. Die Italiener gewannen, Deutschland landete mal wieder ganz zu Recht ganz weit hinten. 2017 gewann Portugal die Trophäe – mit einer Schmuse-Ballade von Salvador Sobral, den wirklich keiner auf der Uhr hatte, am wenigsten er selbst. Dabei kommt der Mann mit der romantisch-lyrischen Stimme vom Jazz, und dahin führt auch sein aktuelles Werk zurück. Es ist zurückhaltend bis spartanisch instrumentiert, die wenigen Noten sind aber wohlfeil gewählt und bilden zusammen mit seiner behutsam wie variationsreich eingesetzten Stimme ein Werk für die ruhigen Stunden des Lebens.
Gary Louris: "Jump For Joy" (Thirty Tigers)
Als 2008 sein erstes Solo-Album erschien, saß Louris noch fest im Sattel der Jayhawks, und auch Golden-Smog-Zeiten waren noch greifbar nahe. Jetzt folgt der zweite Streich, und man merkt, man hatte ihn irgendwie vermisst. Geändert oder groß entwickelt hat sich unser Multitalent (das komplette Album wurde von ihm in Eigenregie erstellt) indes nicht. Und das will in diesem Fall als größtes Lob verstanden sein, schreibt Louris doch weiterhin die schönsten, herzergreifendsten Melodien und verziert diese mit unerwarteten Wendungen und/oder Gimmicks – sei es ein schräger Vocoder-Sound oder ein komplett überdrehtes Gitarren-Solo.
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