Es ist ja viel geschrieben und gesendet worden im Vorfeld dieses CSU-Parteitags wegen der Parallelitäten zwischen London und Nürnberg: Auf der Insel wird mit Charles III. einer neuer König gekrönt, im Fränkischen ziemlich gleichzeitig Markus Söder zum Spitzenkandidaten der CSU. Deshalb an dieser Stelle nur so viel: Die Franken-Halle ist nicht Westminster Abbey, ein Dienst-BMW keine güldene Kutsche. Und wenn es keine Panne ist, sondern als scharfer Kontrast zur britischen Zeremonie gedacht war, dann übertrifft sich die CSU gleich zu Beginn in Sachen Understatement selbst. Söder kommt mit seinem Gefolge fast unbemerkt in die Halle. Kein Defiliermarsch, keine dröhnenden Bässe – nichts! Aber vielleicht wollte die Regie lieber keine Einzugsmusik spielen, bevor es wieder die falsche ist wie zuletzt am Aschermittwoch in Passau.
Anders als Charles, den die royale Erbfolge in Amt und Würden gebracht hat, muss Markus Söder gewählt werden. "Nicht überraschend", wie es der altgediente Tagungsleiter Joachim Herrmann formal feststellt, darf Söder seine CSU nach einstimmig erfolgter Akklamation durch Handheben in die Landtagswahl im Oktober führen. Hinter ihm und den Delegierten liegen zu diesem Zeitpunkt bereits eine gut 90-minütige Rede des Parteichefs und handgestoppte drei Minuten stehende Ovationen. Die Schwesterpartei CDU hat zu dieser "Krönungsmesse" übrigens ihre stellvertretende Generalsekretärin Christina Stumpp geschickt. Das ist protokollarisch ungefähr so, als ob die Bundesregierung am Samstag eine Umweltstaatssekretärin als Repräsentantin Deutschlands nach London geschickt hätte.
Loblied auf Bayern
Mit Söders Rede bekommt die 35-jährige Stumpp dafür eine kostenlose Doppelstunde in bayerischem Selbstbewusstsein gepaart mit politischer Chuzpe geboten. Söder stimmt ein Loblied auf den Freistaat an, der in allen Statistiken Rang 1 oder zumindest 2 in Deutschland belege. Natürlich vergisst er nicht zu erwähnen, dass dies Folge der Politik einer seit bald sieben Jahrzehnten CSU-geführten Staatsregierung ist. Deshalb solle nach der Landtagswahl die Bayern-Koalition mit den Freien Wählern fortgesetzt werden. Die "Miesmachpartei Grüne", die alles verbieten oder vorschreiben wolle, passe nicht zu Bayern. "Deshalb wollen wir sie auch nicht in der Staatsregierung haben", provoziert Söder tosenden Beifall. "Wir überlassen Bayern nicht den Linken, Bayern soll Bayern bleiben", setzt er nach. Bayern habe Besseres als eine Ampel verdient.
Ausführlich beschäftigt sich Söder mit dem, was er kürzlich "bavarian way of life" getauft hat. Der sei von grünen "Umerziehungsfantasien" bedroht, vor allem beim Autofahren, dem Essen und dem Reden. Als "Schafscheiß" bezeichnet er zum Beispiel den in "Teilen der politischen Klasse" diskutierten Vorschlag, das Wort "Mutter" durch "gebärende Person" zu ersetzen. Die Idee kommt zwar nicht von den Grünen, sondern aus der Online-Redaktion der "Tagesthemen", aber sie passt halt schön in Söders allgemeine Wokeness-Kritik. Zumal sich in diesem Zusammenhang auf die "Trauzeugen-Affäre" um den Grünen Staatssekretär Patrick Graichen verweisen lässt. "Grüne Korruption" sei das, wettert Söder, und "falsch verstandene Vereinbarkeit von Familie und Beruf".
Erwartbare Rede
Das Meiste in Söders auf fünf große Überschriften fokussierten Rede ist erwartbar. Er will "dauerhaften Wohlstand für alle" sichern, jungen Menschen eine gute Zukunft bieten, den Freistaat sicher und finanziell solide halten. Wer ihn in der vergangenen Monaten bei öffentlichen Auftritten verfolgt hat, kennt die Argumentationsketten und die Pointen, die die Einzigartigkeit Bayerns und der CSU-Politik zum Inhalt haben und ziemlich regelmäßig in einer Schelte für die Berliner Ampel und vor allem Robert Habeck enden. Neu ist immerhin, dass Söder eine Erhöhung der Schulschwimmbadförderung ankündigt, damit wieder alle Kinder im Freistaat das Schwimmen lernen können.
Am interessantesten sind deshalb die Punkte, die Söder nicht anspricht. So fordert er von der Bundesregierung die weitere finanzielle Entlastung von Bürgern und Unternehmen durch die Reduzierung von Energie-, Erbschafts- und Mehrwertsteuer, um fast im selben Atemzug die Milliarden-Schulden zu kritisieren, die die Ampel als Folge des Ukraine-Kriegs hat aufnehmen müssen. Kein Wort von Söder kommt aber dazu, wie er die gewünschten Entlastungen sonst finanzieren würde. An anderer Stelle bekennt er sich zum Verbrennerauto und wütet gegen das geplante Heizungsgesetz Habecks. Wie er aber ohne CO2-senkende Maßnahmen sein Ziel erreichen will, Bayern bis 2040 klimaneutral zu machen, lässt er offen. Den zu Beginn seiner Rede angekündigten Gliederungspunkt "Nachhaltiges Bayern" überspringt der Bäume-Umarmer a.D. gleich gänzlich. Zumindest unter den feierwilligen Delegierten stört das aber niemanden.
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