Oberpfalz
24.10.2019 - 10:52 Uhr

Faule Störche aus der Oberpfalz

Im Winter fliegt der Storch in den Süden, oder? Das stimmt so nicht. Viele Vögel bleiben den Winter über in der Oberpfalz. Storchenexpertin Oda Wieding verrät, was der Mensch, die Schweiz und das Elsass der 80er Jahre damit zu tun haben.

Eine imposante Erscheinung ist der Pressather Storch auch am Boden. Immer öfter bleiben Störche in der Oberpfalz auch den Winter über. Bild: idu
Eine imposante Erscheinung ist der Pressather Storch auch am Boden. Immer öfter bleiben Störche in der Oberpfalz auch den Winter über.

Wenn man dem Märchen von Hans Christian Andersen Glauben schenkt, dann bringt der Storch die Kinder. Auch was den eigenen Nachwuchs angeht, steht der Vogel in der Oberpfalz nicht schlecht da. Vergangenes Jahr hat der Landesbund für Vogelschutz (LBV) 52 Storchenpärchen in der Oberpfalz gezählt. Für heuer sind die Daten noch nicht vollständig ausgewertet, allerdings zählt der LBV schon jetzt um die 60. Längst nicht mehr zieht es im Winter alle Störche in den Süden. Wer beispielsweise von Rothenstadt aus in Richtung der A 93 schaut, der wird mit etwas Glück auch jetzt noch einen Storch über die Felder gleiten sehen.

Doch warum bleiben manche der Vögel auch über den Winter hier? LBV-Storchenexpertin Oda Wieding hat eine, wenn auch zunächst kurios wirkende Erklärung parat. Ihr zufolge lassen sich die Antworten in den 80er Jahren in der Schweiz und im Elsass finden. "Dort hatte man große Angst, dass die Weißstörche komplett aussterben würden", sagt die Diplom-Biologin. Demnach war dort die Storchen-Population in den 80er Jahren so stark dezimiert, dass die einzige Möglichkeit, den Storch zu retten, war, ihn in Gefangenschaft großzuziehen. "Die Störche sind erst mit drei Jahren geschlechtsreif. Bis dahin hat man sie in Volieren großgezogen." Grund dafür sei gewesen, dass rund 60 Prozent aller jungen Störche das erste Lebensjahr nicht überleben und dass der Flug ins Winterquartier zusätzlich Gefahren birgt.

Aus der Schweiz und dem Elsass

Christoph Bauer, der Leiter des Oberpfälzer LBV, sagt, dass diese Störche verlernt hätten, in den Süden zu fliegen, weil sie in ihren ersten Lebensjahren diesem natürlichen Instinkt nicht nachgehen konnten. Wieding kann nachvollziehen, dass sich mehrere der Storchen aus dem Elsass und der Schweiz in der Oberpfalz niedergelassen haben, weil die Mitarbeiter in den Aufzuchtstationen ihren Vöglen Fußringe verpasst hätten. "Interessanter Weise haben wir festgestellt, dass die Partner der Störche aus der Aufzucht deren Verhalten beobachtet und nachgeahmt haben", erzählt Wieding. Das heißt: Die Partner blieben ebenfalls da. "Die haben sich das von anderen Störchen abgeguckt", sagt Wieding.

Nach Jahren Verhalten geändert

Was mit den Nachkommen dieser Paare passiert ist, dürfte den ein oder anderen überraschen. Wieding hat beobachtet, dass die Jungvögel in ihren ersten Jahren ihres Lebens ihrem Instinkt gefolgt sind und im Winter in den Süden geflogen sind. "Vielleicht haben sie sich auch von anderen Störchen auf der Durchreise mitziehen lassen" vermutet die Storchenexpertin.

Nach drei Jahren habe sich das Verhalten mancher dieser Jungstörche aber verändert. Plötzlich sind einige von ihnen auch im Winter in der Oberpfalz geblieben. Für Wieding ist das ein Zeichen, wie sehr sich der Eingriff des Menschen auf die Natur auswirkt und welche unabsehbaren Folgen das nach sich ziehen kann.

Wieding und Bauer sind sich einig, dass die Oberpfälzer Störche, die hier überwintern, gut für die kalte Jahreszeit gerüstet sind. "Im Grunde kommen die sehr gut klar", sagt Bauer. Die Tiere könnten genügend Nahrung finden. "Dass wir einmal zwei Wochen am Stück Dauerfrost haben, erleben wir ja höchstens alle fünf Jahre einmal. Die Winter sind viel milder geworden." Wieding geht zudem davon aus, dass der Bestand weiter zunehmen könnte. "Die Störche wissen genau, wo sie hier etwas zu fressen finden. Sie wissen, wo die nächste Kompostanlage ist, in der es genügend Mäuse gibt."

Allerdings ist es der Wissenschaftlerin zufolge schwierig, genaue Prognosen über die Entwicklung der Störche abzugeben. Denn: Klimaveränderung heißt nicht einfach, dass die Winter immer milder werden und die Tiere bessere Bedingungen zum Leben haben. "In erster Linie heißt das, dass das Wetter unbeständiger wird. Die Temperaturen schwanken häufiger auf und ab und es gibt mehr Starkregenereignisse."

Letztere können für junge Störche zum Problem werden. "Ein Elternteil bleibt ständig im Nest und versucht die Jungen vor dem Regen zu schützen." Weil Störche bei Regen nicht fliegen könnten, könne der andere Elternteil kein Futter für die Jungen besorgen. Die Tiere würden so verhungern.

Nachwuchs ist da

Nichtsdestotrotz: Die Nachwuchszahlen bei den 60 Storchenpaaren sprechen für sich. Im Schnitt bekommt jedes Paar in der Oberpfalz zwei Junge pro Jahr. "Von zwölf Paaren wissen wir, dass sie ihre Jungen verloren haben", sagt Wieding.

Zwei Pärchen haben sogar vier Jungtiere bekommen. Das Besondere: Bei einem dieser beiden Storchenpaare handelt es sich um die Vögel aus Furth im Wald, deren Junge im Sommer von einem Gänsegeier angegriffen und aus dem Nest geworfen wurden. Feuerwehr und Bürgern gelang es, die auf Dächern und der Straße gestrandeten Jungstörche zu retten und sie in eine Aufzuchtstation nach Regenstauf zu bringen.

 
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