Oberpfalz
29.05.2024 - 14:31 Uhr

Leser erfahren deutlich zu viel über einen Unfallzeugen

Selbst eine relativ kurze und unspektakuläre Meldung, basierend auf einem Polizeibericht, kann einen gewissen Wirbel verursachen. Und zwar dann, wenn es zu sehr ins Detail geht.

Die Berichte, die täglich von der Polizei kommen, dienen als Grundlage für die zahlreichen und vielgelesenen „Blaulicht-Meldungen“. Symbolbild: Sven Hoppe, dpa
Die Berichte, die täglich von der Polizei kommen, dienen als Grundlage für die zahlreichen und vielgelesenen „Blaulicht-Meldungen“.

Täglich versorgen die verschiedensten Polizeidienststellen die Redaktionen von Oberpfalz-Medien mit den sogenannten Polizeiberichten. Diese dienen dann als Grundlage für die zahlreichen und vielgelesenen „Blaulicht-Meldungen“ in der gedruckten Zeitung und im Onetz. Die Kolleginnen und Kollegen müssen bei deren Bearbeitung Sorgfalt walten lassen. Im „Eifer des Gefechts“ kann jedoch schnell etwas schieflaufen. Sollte nicht passieren, passiert aber. Ein aktuelles Beispiel.

Online trug der Artikel, um den es hier geht, die Überschrift „Kleintransporter beschädigt Gartenzaun in Flossenbürg“, in der Weidener Lokalausgabe erschien er unter der Titelzeile „Kleintransporter beschädigt Gartenzaun“. Die Polizeimeldung begann so: „Am Montagmittag gegen 11.30 Uhr hörte ein 44-jähriger Echinger, der zu Besuch bei seiner Mutter im Flossenbürger (...) war, einen lauten Knall.“ Was an dieser Stelle absichtlich weggelassen wird, ist die leider im Originaltext erwähnte Straße, in der die Frau wohnt.

Der Leseranwalt bekam daraufhin Post. Er sei der 44-jährige Echinger, schrieb mir W. R. und stellte die Frage, welche Relevanz die in dem Artikel veröffentlichten Daten zu ihm als Zeuge hätten. „Aus meiner Sicht sind personenbezogene Angaben zu einem Zeugen absolut irrelevant für den Sachverhalt und daher nicht in dieser Form ohne vorherige Zustimmung publizierbar“, legte W. R. seine Sicht dar und erbat sich eine Antwort „zum Umgang mit personenbezogenen Daten bei Polizeiberichten“.

Zeuge wird dadurch identifizierbar

In der täglich stattfindenden Morgenkonferenz sämtlicher Redaktionen, in der die Angelegenheit thematisiert wurde, waren sich alle einig: Die Daten des Mannes haben hier nichts zu suchen, denn sie haben mit der Nachricht nichts zu tun und machen ihn identifizierbar. Unterstrichen wurde: Wir sind für das verantwortlich, was wir veröffentlichen, und können uns nicht darauf berufen, dass die Polizei das in ihrer Meldung geschrieben hat.

Die Leiterin der Lokalredaktion Weiden, Simone Baumgärtner, kündigte nach der Konferenz an, gleich mit dem Verfasser der Polizeimeldung zu reden und die identifizierende Passage sofort rausnehmen zu lassen. Wenig später hieß es im Onetz nur noch: "Am Montagmittag gegen 11.30 Uhr hörte ein Mann, der zu Besuch in Flossenbürg war, einen lauten Knall."

"Sie haben natürlich völlig recht", antwortete ich W. R., dankte ihm dafür, dass er uns auf den Fehler in der Berichterstattung aufmerksam gemacht hatte und informierte ihn, dass die beanstandete Passage in der Online-Meldung nicht mehr zu lesen sein wird. Die ursprüngliche Textversion, bestätigte ich, sei nicht mit dem Persönlichkeitsschutz vereinbar: "An einer so detaillierten ,Zeugenbeschreibung' besteht kein öffentliches Interesse, diese Daten, die Sie für einen Teil der Leser identifizierbar machen, gehen niemanden etwas an. Sie hätten, und auch da liegen Sie richtig, nur mit Ihrer Einwilligung so veröffentlicht werden dürfen." Abschließend richtete ich an W. R. die Bitte, der Redaktion das Missgeschick, "das wohl ,in der Hitze des Gefechts' passiert ist", nachzusehen.

W. R. reagierte gelassen und zeigte sich sehr kulant: "Für mich ist das jetzt nicht schlimm, dass es so veröffentlicht wurde. Da ich aber aus beruflichen Gründen für das Thema Datenschutz sensibilisiert bin, hat mich die Art der Darstellung verwundert. Aber wenn das ein Fehler war, ist es für mich nun nachvollziehbar. Haben Sie vielen Dank, für mich ist das Thema damit geklärt."

Journalistische Verantwortung

Ergänzend noch einige wenige Sätze zu Mitteilungen aus Ämtern und Behörden, die im Tagesgeschäft einer Redaktion nahezu täglich auflaufen. Die Verfasser solcher Meldungen, also zum Beispiel auch Staatsanwaltschaften und Polizei, gelten in der Rechtsprechung als privilegierte Quellen. Das bedeutet: Redaktionen wird im juristischen Streitfall zugebilligt, dass sie deren Informationen nicht mehr überprüfen müssen. Dies darf allerdings nicht die journalistische Verantwortung für den Inhalt ablösen.

Hintergrund:

Aus dem Pressekodex

  • Die Ziffer 8 regelt den Schutz der Persönlichkeit. In ihr heißt es unter anderem: „Die Presse achtet das Privatleben des Menschen und seine informationelle Selbstbestimmung. Die Presse gewährleistet den redaktionellen Datenschutz. Bei Zeugen sind Namensnennung und Fotoveröffentlichung in der Regel unzulässig.“
Deutschland und die Welt21.05.2021
 
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