Oberpfalz
17.06.2022 - 09:04 Uhr

Leserbriefschreiber sind nicht gegen Kritik gefeit

Die Ukraine sollte auf den Donbass und die Krim verzichten, so stand es in einem Leserbrief. Ein Weidener ärgerte sich über diese Veröffentlichung. Er könne sie „nicht gutheißen“, teilte er uns mit.

Diese Frau holt so viel wie möglich aus ihrem Haus, das durch einen russischen Luftangriff auf ein ziviles Gebiet in Druschkiwka (Donbass) zerstört wurde. Der Krieg in der Ukraine ist auch immer wieder Thema in Leserzuschriften. Bild: Celestino Arce Lavin, dpa
Diese Frau holt so viel wie möglich aus ihrem Haus, das durch einen russischen Luftangriff auf ein ziviles Gebiet in Druschkiwka (Donbass) zerstört wurde. Der Krieg in der Ukraine ist auch immer wieder Thema in Leserzuschriften.

Leserbriefe sind das Salz in der Suppe, habe ich vor Jahren in einer meiner Kolumnen geschrieben. So manche Veröffentlichung stößt dabei nicht auf Gegenliebe. Jüngstes Beispiel: Auf einer unserer letzten Leserseiten mit Zuschriften zu überregionalen Themen hatte sich ein Mann aus Vohenstrauß mit der Berichterstattung über den Ukraine-Krieg befasst. Unter anderem formulierte er: "Kurz gesagt, an die Ukraine: Vergesst den Donbass und die Krim, begradigt die Front im Osten und beschert Putin damit einen Teilerfolg. Der Westen erkennt den neuen Grenzverlauf an und unterstützt die Ukraine weiterhin, außer bei einem Nato-Beitritt. An Putin: Gib dich mit dem Donbass und der Krim zufrieden, die Ukraine wird demokratischer Anrainerstaat und EU-Mitglied."

Diese Sätze riefen den Unmut eines Lesers aus Weiden hervor: "Ich ärgere mich höchst selten über Leserbriefveröffentlichungen. Die Meinungsfreiheit und die Toleranz gegenüber anderen Meinungen sind ein hohes Gut. Aber den Leserbrief von (...) kann ich, wie die meisten seiner im NT sehr zahlreich veröffentlichten Beiträge, nicht gutheißen." Es gebe Leute, die "von ihrem bequemen Wohnzimmersofa aus künftige Grenzverläufe zugunsten Russlands" mit Beifall bedenken, kritisierte der Weidener seinerseits in einem Leserbrief, der allerdings nicht veröffentlicht wurde. Und zwar deshalb, weil er ebenfalls zu den "Vielschreibern" zählt und erst vor kurzem auf der Leserseite zum Zuge gekommen war.

Meinungsfreiheit und Toleranz - zwei gute Stichworte. Wie groß ist unsere Toleranz, Aussagen von Menschen zu ertragen, deren Sicht nicht die unsrige ist? Nicht selten nicht allzu groß, stelle ich in meiner täglichen Arbeit fest. Die Bereitschaft, sich mit Positionen auseinanderzusetzen, die mit den eigenen nicht übereinstimmen, schwindet - bedauerlicherweise - zunehmend. Was nicht in das eigene und kaum zu erschütternde Weltbild passt, findet keinerlei Akzeptanz. Was ausschließlich zählt, ist die eigene Sicht. Menschlich verständlich, aber eben nicht gut.

Die klassische Meinungsäußerung

Ein Leserbrief, das möchte ich an dieser Stelle wieder einmal unterstreichen, ist eine klassische Meinungsäußerung, hier handelt es sich laut Rechtsprechung um ein Werturteil, weil der Verfasser eines Leserbriefes mit diesem seinen Standpunkt aufzeigt. Im Leserbriefteil einer Zeitung kommen denn auch Meinungen zu Wort, die die Redaktion nicht teilt. Dies "dient der wahrhaftigen Unterrichtung der Öffentlichkeit", heißt es dazu im Pressekodex, in dem der Presserat darauf hinweist, dass der Verfasser "keinen Rechtsanspruch" auf Abdruck seiner Zuschrift hat.

Beleidigungen sind tabu

"Enthält ein Leserbrief Meinungsäußerungen und Kritik, ist dies normalerweise unproblematisch - es sei denn, dass eventuell strafrechtliche Grenzen überschritten werden", betont die Initiative Tageszeitung (ITZ) in ihrem Online-Lexikon zum Presserecht. Bei Werturteilen ist es laut ITZ auch gleichgültig, ob die Meinung "richtig" oder "falsch", ob sie emotional oder rational begründet sei, ob es sich um "wertvolle" Meinungen handele oder nicht.

Kein Problem ist es, in Leserbriefen die eigenen Standpunkte und Sichtweisen in pointierter Form wiederzugeben. Das gilt selbst für die Auseinandersetzung mit Religionen. Beleidigungen oder ehrabschneidende Äußerungen dürfen in einer Zuschrift aber nicht enthalten sein. Auch aus dem Grund, weil eine Redaktion verantwortlich ist für von ihr veröffentlichte Leserbriefe.

Doch manchmal möchten Leser ihre Meinung lieber nicht schriftlich kundtun. So geschehen erst vor wenigen Tagen. Eine Leserin hatte sich wegen der Überschrift zu einer im Wirtschaftsteil veröffentlichten Meldung an mich gewandt. Die Schlagzeile lautete: "Ein Fünftel der Kühe verendet vor der Schlachtung." Im Text folgten unter anderem diese Sätze: "Fast eine Million Schweine, etwa 220 000 Rinder und zwei Millionen Hühner sind im vergangen Jahr in Bayern schon vor der Schlachtung verendet oder anderweitig ums Leben gekommen" sowie "Jedes fünfte Schwein und jedes fünfte Rind in den bayerischen Betrieben ist somit vor der Schlachtung verendet." In der Überschrift von "Kühen" zu sprechen, sei nicht korrekt, monierte die Leserin - übrigens zu Recht. Mein Angebot, zum Unterschied zwischen Kuh und Rind einen erläuternden Leserbrief zu schreiben, lehnte sie dankend ab. Sie befürchtete, mancher könnte ihr ihre Meinung übelnehmen, sie hatte Angst, dass es zu für sie unangenehmen Reaktionen kommen könnte. Das wolle sie sich ersparen.

Bitte unbedingt melden!

Es passiert leider hin und wieder, dass Verfasser von Leserbriefen attackiert werden und unschöne Dinge über sich ergehen lassen müssen. Zum Beispiel Beschimpfungen in anonymen Briefen. Das geht gar nicht! Deshalb meine Bitte an jeden Leserbriefschreiber, der so etwas erlebt: Informieren Sie unbedingt die jeweilige Redaktion darüber. Vorfälle dieser Art können die Staatsanwaltschaft auf den Plan rufen. Betroffene sollten vor einer Anzeige nicht zurückschrecken.

Weiden in der Oberpfalz08.06.2018
 
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