Oberpfalz
15.11.2023 - 08:44 Uhr

Los, bleib du selbst

Fühlst du dich manchmal schwach? Zerrissen? Fragst dich, wie viel du wert bist und was du überhaupt kannst? Es sind Gefühle, die einen energieraubenden Gedankenkreislauf freisetzen, der nur schwer wieder zu stoppen ist.

Redakteurin Julia Hammer weiß, was sie kann und bleibt sie selbst. Bild: Sara Neidhardt / Grafik: Redaktion Magazine
Redakteurin Julia Hammer weiß, was sie kann und bleibt sie selbst.

Jetzt frage ich dich: In welchen Situationen fühlst du dich so? Kommen diese Gefühle plötzlich? Nein? Genau das ist der Punkt. Denn in den meisten Fällen sind nicht wir der Auslöser dafür. Es wird Zeit, daran etwas zu ändern.

Wir alle haben unsere Stärken. Eigenschaften, die wir an uns schätzen. Empathie. Die Gabe, andere zum Lachen zu bringen. Besondere Talente. Warmherzigkeit oder ein äußerliches Merkmal, auf das wir stolz sind. Wir sind individuell. Entsprechen nicht immer dem Mainstream. Und lieben es. Doch immer wieder geraten wir in Situationen, in denen uns andere Menschen das Gute an und in uns absprechen wollen. Jeder von uns könnte jetzt mit Sicherheit mindestens zehn Beispiele aus dem Stegreif nennen. Eine missgünstige Mitschülerin, die nichts weiter als ein lautstarkes „Wow, siehst du damit fett aus“ für einen übrig hat, wenn man stolz mit einem neuen Outfit, für das man lange gespart hat, das Klassenzimmer betritt. Menschen, die Freude daran haben, anderen durch Hasskommentare bei Social Media jedes Urlaubsfoto, jede bedeutende Erinnerung kaputtzumachen. Ein Kollege, der durch kleine Seitenhiebe und Intrigen immer wieder das Vertrauen in die eigene Leistung raubt. Die Folgen? Verunsicherung. Selbstzweifel. Schweigen. Rückzug.

Noch schwieriger wird es, wenn es nahestehende Menschen sind, die uns dieses Gefühl geben. Ein Familienmitglied. Die scheinbar enge Freundin. Der Partner. Warum schwierig? Weil wir es nicht für möglich halten, dass es diese Personen schlecht mit uns meinen könnten. Wir vertrauen ihnen. Glauben ihren Worten. Fühlen uns bei ihnen sicher. Ich erinnere mich noch gut an eine prägende Situation. Schon lange wollte ich Redakteurin werden. Ich habe viel dafür investiert. Vor mehr als zehn Jahren war es dann soweit: Ich hatte meine Bewerbung fertig. War nervös, weil ich diesen Job unbedingt wollte. Die Reaktion eines mir damals Vertrauten? „Das kannst du gleich lassen. Du wirst sowieso nicht genommen. Das Zeug zur Redakteurin hast du nicht.“ Auch bei mir war die unmittelbare Konsequenz: Selbstzweifel. Wenn ein mir so nahestehender Mensch so über mich denkt, kann es ja nur stimmen. Es stimmte nicht. Aber ich habe lange gewartet, bis ich meine Bewerbung losgeschickt habe. Und ich habe nicht mehr daran geglaubt, dass es klappen könnte. Ich könnte unzählige solcher Situationen erzählen. Was sie alle gemein haben? Es waren immer die gleichen Personen, die diese Gefühle in mir über lange Zeit ausgelöst haben. Der Fehler? Ich habe viel zu lange an ihnen festgehalten. Doch dann habe ich gelernt: Man muss zwischen zwei Dingen unterscheiden: Zum einen: Wie fühle ich für jemanden? Zum anderen: Wie lässt mich derjenige fühlen? Ich kann eine Person charismatisch, liebenswert, intelligent und lustig finden. Mich von ihr angezogen fühlen, sie vielleicht sogar lieben. Freundschaftlich. Partnerschaftlich. Aber wenn diese Person in mir das Gefühl von Einsamkeit, Traurigkeit und Stress auslöst, wenn ich wegen ihr an mir selbst zweifle, dann ist das die Realität. Wir neigen dazu, Menschen, die wir für wertvoll erachten, zu idealisieren. Ihnen vieles zu verzeihen. Dinge, die wir objektiv betrachtet als Grund für einen sofortigen Kontaktabbruch werten würden. Doch das ist falsch.

Eine schwere Erkenntnis, denn sie beinhaltet: Ich habe mich in jemandem getäuscht. Ich muss loslassen. Aber sie ist wichtig, denn sie ist der erste Schritt, um uns von Menschen zu lösen, die es nicht gut mit uns meinen. Ihnen die Macht zu nehmen, die es ihnen ermöglicht, uns an uns zweifeln zu lassen. Unsere Stärken zu hinterfragen. Uns muss immer bewusst sein: Die wahre Macht darüber, wie wir fühlen, haben wir selbst. Wir wissen, wer wir sind. Wir wissen, was wir können. Und niemand kann uns diese Gewissheit nehmen.

Oberpfalz26.06.2023
 
Kommentare

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Therese Kayser

Herzlichen Glückwunsch, Frau Hammer!
Sie gehören zu den Mitmenschen mit Einfühlung und Wissen, welches man weisen Leuten hohen Alters zuzuschreiben beliebt. Aber Sie liegen in Gänze so richtig, dass sich jeglicher weitere Kommentar erübrigt.
Alles Gute
Hans Kayser

18.11.2023
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