Julia Hammer: Rein in die Stadt
Stadt oder wilde Natur: Das ist hier die Frage. Nein. Eigentlich stellt sie sich für mich nicht, denn die Antwort ist sonnenklar, wenn es um meine Urlaubsplanung geht. Muss ich mich zwischen ein paar Tagen in der Wildnis oder einer Großstadt entscheiden, schlägt mein Herz immer für den Metropolen-Trubel. Es ist nicht so, dass ich eine kurze Auszeit im Wald nicht schätze. Die Betonung liegt dabei aber auf dem Wort „kurz“. Plane ich eine Tour über mehrere Tage, zieht es mich in große Städte. Das hat viele Gründe.
Barcelona, Mailand, Prag, Amsterdam, Berlin, London und Paris … die Liste der Städte, die mich im Laufe meines Lebens begeistert, manche sogar nachhaltig geprägt, haben, ist lang. Warum ich Metropolen so liebe? Weil sie an Vielfalt kaum zu übertreffen sind. In ihnen pulsiert das Leben. 24 Stunden. Sieben Tage pro Woche. Ich habe spontan Lust, ein Museum zu besuchen? Ein Theaterstück zu sehen? Einer Band zuzujubeln? Kein Problem, denn das kulturelle Angebot lässt niemals Wünsche offen. Bei einer derartigen Menge an Optionen hat man eher die Qual der Wahl … die auch nicht leichter wird, wenn es um die Entscheidung geht, welches Stadtviertel ich als erstes erkunden will. Am meisten begeistert mich die Architektur. Nehmen wir das Beispiel Prag – diese atemberaubende Mischung aus romantischem und gotischem Baustil. Ich laufe durch die Straßen und stelle mir vor, wer dort wohl schon alles gelebt hat. Welche Geschichten diese Mauern erzählen würden, wenn sie könnten. Gleichzeitig liebe ich das Gefühl von Freiheit, das ich in Großstädten empfinde.
Die Anonymität. Die Möglichkeit, schnell Kontakte knüpfen zu können, wenn ich das will. Sei es beim Feiern oder bei einer Auszeit im Park mit einem Matcha Latte – der mir, nebenbei bemerkt, in der Natur schmerzlich fehlen würde. Ich genieße es, neue Traditionen und Mentalitäten aufzusaugen und mich von ihnen inspirieren zu lassen. Daher ist es für mich immer ein Muss, einen Wochenmarkt zu besuchen. Exotische Gewürze, die angeregten Gespräche der Händler mit ihren Kunden, einzigartiges Kunsthandwerk – ein großes Erlebnis. Genauso wie das kulinarische Angebot, durch das man sich an jeder Straßenecke testen kann. Apropos Essen, auch das ist ein Vorteil: Bekomme ich um drei Uhr nachts Hunger, gehe ich einfach zum nächsten Imbiss. Die Stadt schläft schließlich nie. Brauche ich doch eine kurze Pause, setze ich mich in ein kleines Café und beobachte die Menschen. Lausche den Geräuschen. Ich bin kein Mensch der Stille … auch deshalb wäre ein Trip in die Natur nichts für mich.
Wie ich mir einen Trip ins Grüne vorstelle? Unbequemes Zelt. Dichte Wälder. Den Elementen hilflos ausgeliefert. Ich bin auf mich allein gestellt. Kommen wir kurz zurück zum Thema Stille. Zwischen zahlreichen Bäumen würde ich sie tatsächlich schätzen, denn Geräusche machen mich in der Natur nervös. Vor allem solche, die ich nicht identifizieren kann. Ein Bär? Eine Schlange? Yeti? Doch ein Rehkitz? Ob ich es herausfinden will? Sicher nicht.
Außerdem würde meine Kreativität schon nach kurzer Zeit enden. Ich bin kein großer Wanderer, niemand, der es liebt, versteckte Pfade zu finden. Abgesehen davon, dass ich mich hoffnungslos verlaufen würde, weil mein Orientierungssinn nicht existent ist. Was soll ich also tagelang machen? Außer den Kampf gegen Stechmücken aufzunehmen, die mich als Futterquelle auserkoren haben. Ich könnte es ihnen nicht verübeln, denn vermutlich riechen sie mich hundert Meter gegen den Wind. Stichwort: mangelnde Sanitäranlagen. Für jemanden, der großen Wert auf Hygiene legt, ein ganz schwieriges Thema. Kehre ich dann kaputt vom stundenlangen Herumirren und der mühevollen Abwehr der Blutsauger zurück, erwartet mich … kein bequemes Hotelbett, sondern eine harte Isomatte und ein müffelnder Schlafsack. Spätestens dann würde ich meine Freunde anrufen und sie bitten, mich abzuholen. Wäre da nicht die Sache mit dem lückenhaften Mobilfunknetz. Alleine in der Wildnis. Abgeschnitten von der Außenwelt. Nein, Stadt oder wilde Natur ... das ist und bleibt für mich keine Frage.
Evi Wagner: Raus aus der Stadt
Es gibt Dinge im Leben, von denen wird einfach davon ausgegangen, dass man sie mag. Aperol Spritz zum Beispiel. Romantische Paarbeziehungen. Die Beatles. Oder eben Städtetrips. Ich frage mich oft: Warum eigentlich? Ich kenne unzählige Drinks, die besser schmecken als ein Aperol Spritz. Dieser hat für mich nicht nur einen üblen Beigeschmack von Kommerz, sondern außerdem viel zu viel Zucker. Im Laufe meines Erwachsenenlebens habe ich jedoch nicht nur gelernt, dass das Leben zu kurz ist für schlechte Drinks. Regelmäßige Abendessen zu zweit und Kuschelabende auf dem Sofa langweilen mich. Es gehört nicht zu meinem Lebenstraum, dauerhaft Teil eines Doppelpacks zu sein. Außerdem würde ich mir nie freiwillig einen Beatles-Song anhören, einfach nicht mein Ding. Und allein die Vorstellung, meinen Urlaub noch einmal in der Touri-Blase einer Großstadt zu verbringen, verursacht bei mir ein ungutes Gefühl in der Magengegend. Inzwischen bin ich wirklich zu alt für jede Art von Gruppenzwang. Und deswegen werde ich auch nicht nach New York fliegen, nur weil es jetzt alle tun.
Das war nicht immer so. Natürlich hatte auch ich in meiner Jugend einmal den Plan, mir alle Metropolen der Welt anzuschauen. Ich fing mit Europa an, zog mir regelmäßig eine pulsierende Großstadt nach der anderen rein. Übernachtete in lauten Hostels, in denen ich oft die ganze Nacht kein Auge zumachte. Stand stundenlang an, nur um in den angeblich besten Club der Stadt zu kommen. Und ließ mich von unverschämten Taxifahrern abzocken. Ich trank richtig schlechten Espresso für fast zehn Euro („Aber schließlich zahlt man ja die tolle Aussicht mit.“), machte Bilder von unzähligen historischen Gebäuden, U-Bahnhöfen und Graffitis („Das muss ich doch fotografieren.“) und traf meist mehr Touris als Einheimische („Klar, die wollen das natürlich auch sehen.“).
Wenn ich wieder zuhause war, hatte ich dann meist das Gefühl, erst einmal Urlaub zu brauchen. Urlaub vom Urlaub sozusagen. Um wieder runterzukommen und mich so richtig zu erholen. Und irgendwann merkte ich: Die Aktivitäten auf den Städtetrips waren meist so austauschbar, dass es später ganz egal war, ob man nun London, Amsterdam oder Kopenhagen besucht hatte. Hätte ich mir eine gute Doku angeschaut, hätte ich wohl mehr von der jeweiligen Metropole erfahren. Und so endete meine Städtetrip-Phase bereits nach einigen Jahren. Und ich begann damit, meine freien Tage nur noch dort zu verbringen, wo es mich wirklich hinzieht.
Meine liebsten Urlaubsziele sind seitdem kleine Inseln, auf denen es gar keine großen Städte gibt. Oder Regionen, wo die nächste Metropole ganz weit weg ist. Und somit auch der Lärm und der Stress, die Menschenmassen und der Kommerz. Es gibt wohl nichts Schöneres, als am Strand zu sitzen und nur das Rauschen der Wassers zu hören. Oder die Hängematte zwischen zwei Bäumen aufzuhängen, ins Grüne zu schauen und herrliche Waldluft einzuatmen. Heute weiß ich: Es sind meist die stillen Momente, die uns so viel geben. Und nicht die lauten, lärmenden. Nirgendwo lassen sich die persönlichen Akkus wohl besser aufladen als in der Natur.
Ich brauche keine überteuerten Bars, keine Selfies auf der Aussichtsplattform des Rockefeller Centers und keine überfüllten U-Bahnen, um unvergessliche Ferien zu verbringen. Ganz im Gegenteil. In kleineren Orten, in die sich nur selten Touristen verirren, bekommt man meist einen Einblick in das echte Leben des Urlaubslandes. Dieses verschwindet in einer Metropole hinter unzähligen Ramschläden, geführten Sightseeing-Touren und langweiligen Touri-Restaurants nicht selten gänzlich.
Wirkliche Abenteuer erlebt man bestimmt nicht auf einem Städtetrip – sondern meist abseits der Orte, die sich in den Hochglanzbroschüren der Reisebüros befinden. Und diese sind oft nicht einmal weit weg. Manchmal ist es auch einfach nur die einsame Waldhütte im Nachbarland. Ganz weit weg von Großstadtlärm und sogenannten Hot-Spots.
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