Künstler Heiko Herrmann fürchtet dauerhaften Corona-Schaden

Pertolzhofen bei Niedermurach
10.12.2020 - 12:02 Uhr
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Heiko Herrmann greift nach Leuchtfarben, seit das Coronavirus in sein Dasein als Künstler eingedrungen ist. Anders als junge Maler kann der 67-Jährige auf ein tragfähiges Netzwerk bauen. Doch er befürchtet "Spätfolgen" für die Kunst.

Wird sich die Kunst von Corona erholen? Künstler Heiko Herrmann, hier in seinem Atelier in Pertolzhofen (Landkreis Schwandorf) , ist da nicht allzu optimistisch.

Zwei Wohnsitze und jede Menge Ideen: Seit fast 30 Jahren lebt Künstler Heiko Herrmann mal in der Großstadt München, mal auf dem Land in Pertolzhofen (Landkreis Schwandorf). Als Bildhauer bearbeitet er Holz oder Metall, als Maler ist er mit Spachtel und Pinsel auf Leinwänden unterwegs. Außerdem veranstaltet er alljährlich ein 14-tägiges Symposium für Künstler aus aller Welt. Das musste heuer wegen der Pandemie ausfallen. Wie das Virus sein Leben verändert, hat Monika Bugl für Oberpfalz-Medien in Erfahrung gebracht.

ONETZ: Neun Monate mit dem Coronavirus und immer wieder Einschränkungen. Wie kommen Sie als Maler mit diesen Bedingungen zurecht?

Heiko Herrmann: Ich lebe auf dem Rücken meiner Freunde. Ohne einen Kreis von Sammlern und Galeristen, die mich immer unterstützt haben, wäre ich ökonomisch am Ende. Ich möchte heute kein Maler sein, der gerade sein Diplom gemacht hat, der hat ja gar keine Chance.

ONETZ: Können Sie denn momentan irgendwo ausstellen?

Heiko Herrmann: Aktuell läuft seit 28. März die längste Ausstellung meines Lebens im Fritz-Winter-Haus in Ahlen, aber es kommt natürlich keiner hin, weil alles geschlossen ist.

ONETZ: Was hat Corona für Sie verändert?

Heiko Herrmann: Zuerst dachte ich, dass Corona für Künstler ganz toll ist, weil die Menschen mehr Geld haben, um Kunst zu kaufen, jetzt wo sie nicht Golf spielen oder nach Italien in Urlaub fahren können. Aber es tut sich nichts an der Front. Ein Freund von mir hat gesagt, die Leute bauen jetzt ihre Küchen um und kaufen Designer-Möbel, damit es schön wird daheim, wenn man nicht raus kann.

ONETZ: Also keine positiven Nebeneffekte?

Heiko Herrmann: Man kommt schon auch etwas runter aus dem ganzen Kunstbetrieb mit der Ochsentour von ausstellen, aufbauen, abbauen. Es ist ja normalerweise auch nicht damit getan, dass man sich vor ein Bild stellt, und dann kommt die Presse, und alles ist gut.

ONETZ: Sie haben einen Wohnsitz in München, einen zweiten im ländlichen Pertolzhofen. Wo lebt es sich derzeit besser?

Heiko Herrmann: Beim ersten Lockdown habe ich mich total hierher nach Pertolzhofen zurückgezogen. Die Großstadt ist in solchen Zeiten sehr anstrengend. Die Gehsteige sind ja nicht sehr breit. Da schieben sich die einen an der Hauswand entlang, die anderen fallen schier vom Bordstein. Aber inzwischen ist das Virus auch im Dorf angekommen. Die Infektionen sind diffus, das ist nicht zu unterschätzen.

ONETZ: Hat Corona auch Einfluss auf Ihre abstrakte Bilderwelt?

Heiko Herrmann: Natürlich. Ich male viele Corona-Bilder, daran ist auch die optische Präsenz dieser Abbildungen mit Corona-Struktur schuld. Mich erinnert die stachelige Struktur an die Nagel-Kunst von Günther Ücker. An den muss ich immer denken, wenn ich in der Tagesschau die Bilder sehe. Ich male inzwischen sehr viel bunter, ganz viel mit Leuchtfarben. Man wird ein wenig rabiater, wenn man jetzt den malerischen Motor hochfährt. Wenn schon keine anderen Leute die Bilder anschauen, will man sich wenigstens selbst vergnügen.

ONETZ: Was schmerzt Sie am meisten?

Heiko Herrmann: Die Pandemie verstärkt das, was seit Jahren im Anmarsch ist: die Kontaktlosigkeit. Alles spielt sich nur noch in den Sozialen Medien ab. In die Kneipe um die Ecke gehen, ein Bier trinken und saublöd daherreden, das ist es, was mir irrsinnig abgeht.

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Pertolzhofen bei Niedermurach08.12.2020

ONETZ: Geht denn gar nichts mehr auf dem Kunstmarkt?

Heiko Herrmann: Es läuft jedenfalls sehr schleppend und nur über Stammkunden. Ein Corona-Bild hat aber schon einen Liebhaber gefunden, es hängt jetzt in einer Arztpraxis.

ONETZ: Was denken Sie über einen Nachhol-Effekt, wenn die Pandemie vorbei ist?

Heiko Herrmann : Ich bin mir nicht sicher. Kann sein, dass die Leute feststellen, dass Kunst überflüssig ist und alles den Bach runter geht. Dann setzt sich keiner mehr damit auseinander, es kommt zu keinem direkten Kontakt mit der Kunst und damit auch nicht zu einem schlagenden Erlebnis.

ONETZ: Sie sind jetzt 67, ist das nicht eine gute Zeit, um sich als Künstler zur Ruhe zu setzen?

Heiko Herrmann: Die Künstler-Sozialkasse hat mir die gleiche Frage gestellt. Aber was soll ich dann tun? Mich auf eine Parkbank setzen? Realistisch gesehen haben ich genug gemalt, aber ich habe an nichts anderem Freude. Deshalb werde ich malen, bis der Deckel zugeht.

An der Tür zum Atelier des Künstlers prangt ein individueller Hinweis auf die Maskenpflicht.
Noch eine Spur greller malt Künstler Heiko Herrmann, seit das Coronavirus Einfluss nimmt auf die Welt der Kunst. In vielen seiner Bildern tauchen Elemente Corona-Struktur auf und so manches Werk titelt: "Ich kann es nicht mehr hören".
Bunt sind seine Bilder oft, aber seit Corona verwendet Heiko Herrmann mit Vorliebe Leuchtfarben.
Zur Person:

Moderne Kunst auf dem Land verankert

Heiko Herrmann, Jahrgang 1953, geht es in seinen Werken darum, etwas sichtbar zu machen. Seit er 1991 im Pertolzhofener Zehentstadel sein Atelier eingerichtet hat, liegt ihm viel daran, den Zugang zu abstrakten Werken auch einem ländlichen Publikum zu eröffnen.

  • Ausbildung: 1971bis 1973 Glasmalerlehre in Neugablonz, anschließend Schüler von Heimrad Prem, 1974 bis 1981 Studium an der Akademie der Bildenden Künste in München.
  • Ausstellungen: Zahlreiche auch internationale Ausstellungen und Stipendien (Infos unter www. heiko-herrmann.org), 1976 bis 1981 Mitglied der Künstlergruppe "Kollektiv Herzogstraße".
  • Kunstdingertage: Seit 1993 organisiert Herrmann in Pertolzhofen ein zweiwöchiges Symposium für Künstler mit Ausstellung in Atelier und Garten.
  • Kunstverein: Mit knapp 1300 Einwohnern verfügt der Niedermuracher Ortsteil Pertolzhofen seit 2004 über einen eigenen Kunstverein; Vorsitzender: Heiko Herrmann.
  • Kunsthalle Pertolzhofen: Auf der Initiative von Heiko Herrmann entstand 2007 eine "Kunsthalle" am Bayerisch-böhmischen Freundschaftsweg in Pertolzhofen. In dem über Fenster einsehbaren Container gibt es immer wieder wechselnde Ausstellungen.
 
 

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