Regensburg
19.11.2018 - 18:57 Uhr

Heftiger Schlagabtausch beim Wolbergs-Prozess

Wenn Joachim Wolbergs sich im Saal 104 des Landgerichts über Zeugenaussagen oder die Staatsanwaltschaft richtig ärgert, läuft er rot an, schüttelt den Kopf, lässt sich nach hinten in seinen Stuhl fallen. Am Montag musste der Stuhl einiges aushalten.

Joachim Wolbergs (SPD), der suspendierte Oberbürgermeister von Regensburg, sitzt im Gerichtssaal des Landgerichts. Bild: Lino Mirgeler/dpa
Joachim Wolbergs (SPD), der suspendierte Oberbürgermeister von Regensburg, sitzt im Gerichtssaal des Landgerichts.

Am Morgen des 19. Verhandlungstags im Prozess gegen den suspendierten OB Wolbergs (SPD) und drei weitere Beschuldigte war erneut der Kriminalhauptkommissar im Zeugenstand, der die Ermittlungen leitete. Zum Abschluss des Themenkomplexes „Spenden“ blickt er darauf zurück, wie die Ermittler auf dem Konto des SPD-Ortsverbands Regensburg-Süd, über den Wolbergs seinen Wahlkampf abwickelte, Spendeneingänge aus dem Umfeld des Bauteams Tretzel (BTT) in Höhe von über 475 000 Euro feststellten – gezahlt in Beträgen jeweils knapp unter der Veröffentlichungsgrenze von 10 000 Euro. Überwiesen wurden die Spenden zwischen 2011 und 2016 von zehn verschiedenen Personen, die meisten leitende BTT-Mitarbeiter.

Die Staatsanwaltschaft wittert hier ein Strohmannsystem, um eine verdeckte Großspende zu verschleiern. Sie sieht eine Verbindung zwischen den Spenden und der Vergabe des begehrten Nibelungenareals an den mitangeklagten BTT-Inhaber Volker Tretzel. Tretzels Verteidiger argumentieren hingegen, dass die Mitarbeiter die Spenden aus ihrem eigenen Einkommen geleistet haben. Das undurchsichtige Vergütungssystem mit Bonuszahlungen, Gewinnanteilen und Provisionen bei BTT machte dem Gericht die Wahrheitsfindung bislang schwer.

Ermittlern Verfehlungen vorgeworfen

Diese „Schwammigkeit“ bezeichnete der mitangeklagte ehemalige BTT-Geschäftsführer Franz W., den die Staatsanwaltschaft als „Architekt“ des Spendensystems sieht, mit Blick auf das laufende Verfahren in einem vor Gericht vorgespielten Telefonat mit seinem Steuerberater als „Vorteil“. Aus einem Telefonat zwischen Wolbergs und Tretzel konnte man heraushören, dass zumindest Wolbergs fest davon ausgegangen war, dass die Mitarbeiter aus eigenem Vermögen gespendet haben. Tretzel meinte, dass die Mitarbeiter Millionen verdient hätten. Deshalb habe er davon ausgehen können, dass sie sich an den Kosten für die „Öffentlichkeitsarbeit“ beteiligen.

Wolbergs und dessen Verteidiger warfen den Ermittlern wiederholt schwere Verfehlungen vor. So seien die BTT-Mitarbeiter in ihren Vernehmungen nicht darauf hingewiesen worden, dass sie nicht nur Zeugen, sondern im Laufe des Verfahrens auch Beschuldigte waren. Insgesamt hätten die Ermittler zu wenig nach Entlastendem gesucht, monierte Wolbergs-Anwalt Peter Witting. Etwa sei der von der Bundes-SPD beauftragte Wirtschaftsprüfer, der die Tretzel-Spenden prüfte und nicht beanstandete, nicht vernommen worden.

Größter Kritikpunkt bleibt die Verschriftlichung der Telekommunikationsüberwachung. Auch am Montag wurden beim Vorspielen von abgehörten Telefonaten wieder Fehler deutlich. So wurde etwa ein Satz von Tretzel in der Verschriftlichung Wolbergs zugeordnet. Vieles wurde weggelassen. Staatsanwältin Christine Ernstberger räumte ein, die Verschriftlichung sei „nicht schön“, Richterin Elke Escher nannte sie „sehr ärgerlich“, Wolbergs bezeichnete sie als „Skandal“. Es sei bewusst Entlastendes weggelassen worden, glaubt er. Ein heftiger Schlagabtausch zwischen Wolbergs und Ernstberger gipfelte darin, dass der SPD-Politiker die Staatsanwältin aufforderte, sich bei ihm für den Haftbefehl, der ihn in U-Haft brachte, zu entschuldigen. „Ich würde es heute genauso wieder machen“, gab Ernstberger zurück.

"Abstufung des Bettelns"

Die Aussage verweigert hat im aktuellen Prozess Thomas D., Geschäftsführer des Immobilienzentrums Regensburg. Dennoch waren seine teils pikanten Aussagen aus früheren Vernehmungen am Montag Thema in Gerichtssaal. So habe D. im Zusammenhang mit Parteispenden von einer „Abstufung des Bettelns“ gesprochen, sagte der Kriminalhauptkommissar im Zeugenstand. Vor Wahlen seien Politiker gefühlt im Halbstundentakt bei ihm vorstellig geworden, habe D. gesagt – in unterschiedlicher Art und Weise. So habe Wolbergs um Spenden gebeten, CSU-OB-Kandidat Christian Schlegl sei fordernd gewesen, den CSU-Landtagsabgeordneten Franz Rieger habe er sogar als "drohend" empfunden. Letzterer habe 60 000 Euro von ihm gefordert mit dem Hinweis auf künftige Vergaben von Baugebieten, habe D. ausgesagt. Unter Wolbergs‘ Vorgänger Hans Schaidinger (CSU) habe er gelernt, dass es die „Pflege der Politik braucht, um Geschäfte zu machen“.

 
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