Regensburg
18.09.2018 - 10:57 Uhr

„Kümmerin“ Sylvia Stierstorfer wirbt für Verständnis

Seit März hat Sylvia Stierstorfer eine neue Aufgabe: Die Regensburger Landtagsabgeordnete (CSU) ist die erste Beauftragte für Aussiedler und Vertriebene der bayerischen Staatsregierung. Die 55-Jährige hat selbst Wurzeln im Sudetenland.

Vor sechs Monaten hat Sylvia Stierstorfer das neu geschaffene Amt der Vertriebenenbeauftragten übernommen. Ihre eigene Familie stammt väterlicherseits aus dem Sudetenland. Bild: Hanna Gibbs
Vor sechs Monaten hat Sylvia Stierstorfer das neu geschaffene Amt der Vertriebenenbeauftragten übernommen. Ihre eigene Familie stammt väterlicherseits aus dem Sudetenland.

(gib) „Ich sehe mich als Kümmerin“, sagt Stierstorfer im Gespräch mit Oberpfalz-Medien. Jeder dritte Bayer stamme von Heimatvertriebenen ab. Dazu kämen Hunderttausende von Deutschen aus Russland, die seit 1990 in Bayern eine neue Heimat gefunden haben. „All diese Menschen haben ihre eigene Identität und möchten die Kultur, die sie aus ihrer alten Heimat mitgebracht haben, bewahren.“ In ihrem Amt wolle sie den Menschen, die ihre Heimat zwangsweise verlassen mussten, Wertschätzung entgegenbringen und ihre Interessen fördern.

Konkret möchte Stierstorfer Verbesserungen für die Betroffenen bei der Frage der Rentengerechtigkeit und der Anerkennung von im Ausland erworbenen Abschlüssen erreichen. Und sie will zur Bewahrung und Pflege des kulturellen Erbes der Deutschen im Osten beitragen – in Bayern wie auch in ihrer alten Heimat. Nicht zuletzt möchte sie das Schicksal und die Traditionen der Vertriebenen und Aussiedler wieder stärker in den Fokus der Öffentlichkeit rücken. Das fange bei der Ausbildung von Geschichtslehrern an, die für das Thema sensibilisiert werden müssten. Erste Gespräche dazu habe sie bereits mit dem Kultusminister geführt.

Bei den Fragen und Wünschen, die an sie herangetragen werden, gehe es häufig um Anerkennung, sagt Stierstorfer. „Unter den Vertriebenen und Aussiedlern ist das Gefühl verbreitet, dass die deutsche Gesellschaft sich zu wenig für die, ihre Geschichte und ihr Schicksal interessiert und sich teilweise sogar von Vorurteilen leiten lässt.“ Die Deutschen müssten begreifen, „dass diese deutschen Landsleute und ihre Herkunftsregionen genauso Teil des gemeinsamen Kulturraumes waren wie das für Berlin, Bayern oder Sachsen gilt“. Oft werde sie auch auf die Frage der Unrechtsdekrete angesprochen, mit denen die Vertreibung legitimiert wurde. „Sie sind absolut unvereinbar mit europäischen Werten und müssen beseitigt werden“, fordert Stierstorfer.

Eine besondere Brückenfunktion komme Ostbayern mit seiner Grenze zu Tschechien zu, betont die Vertriebenenbeauftragte. Gerade in den Grenzgebieten gebe es regen Austausch und Zusammenarbeit. Der Eiserne Vorhang habe die Bevölkerung zwar über Jahrzehnte grausam getrennt. Doch der gemeinsame Kulturraum sei weiter spürbar. Stierstorfer wünscht sich hier noch mehr Austauschprogramme und das Erlernen der gegenseitigen Sprache.

Zur Versöhnung beigetragen habe ganz wesentlich die Verständigungsinitiative des früheren Ministerpräsidenten Horst Seehofer (CSU), sagt Stierstofer. „Wir haben heute eine bayerische Repräsentanz und ein sudetendeutsches Büro in Prag. Das wäre früher undenkbar gewesen.“ Bewegung stellt sie auch in der Frage des Umgangs mit der Vertreibung fest. Die jungen Tschechen würden immer nachdrücklicher nach der deutschen Vergangenheit ihrer Heimat fragen und erkennen, „dass die Vertreibung fürchterliches Unrecht gewesen ist“.

 
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