Regensburg
17.08.2020 - 18:06 Uhr

Kunstaktion würdigt Sea-Eye-Gründer

Es ist eine ungewöhnliche Aktion: Eine Brücke und ein Uferabschnitt bekommen für eine gewisse Zeit symbolisch einen neuen Namen. Dahinter steckt ein tschechischer Künstler, für den Regensburg „die Stadt der Seenotrettung“ ist.

Für drei Monate soll die Eiserne Brücke nach dem Gründer der Seenotrettungsorganisation Sea-Eye „Michael-Buschheuer-Brücke“ benannt werden. Bild: Dušan Zahoranský (Fotomontage)
Für drei Monate soll die Eiserne Brücke nach dem Gründer der Seenotrettungsorganisation Sea-Eye „Michael-Buschheuer-Brücke“ benannt werden.
Das Donauufer vor dem Museum der Bayerischen Geschichte wird den symbolischen Namen „Alan-und-Ghalib-Kurdi-Hafen“ tragen. Bild: Dušan Zahoranský (Fotomontage)
Das Donauufer vor dem Museum der Bayerischen Geschichte wird den symbolischen Namen „Alan-und-Ghalib-Kurdi-Hafen“ tragen.

Zwei neue „Ortsschilder“ werden ab September für drei Monate das Stadtbild prägen. An der Eisernen Brücke wird in großen Lettern der Schriftzug „Michael-Buschheuer-Brücke“ stehen. Der Regensburger Unternehmer Michael Buschheuer hatte 2015 die Seenotrettungsorganisation Sea-Eye ins Leben gerufen, die seitdem nach eigenen Angaben über 14 000 Flüchtlinge auf dem Mittelmeer vor dem Ertrinken gerettet hat. Am Donauufer vor dem Museum der Bayerischen Geschichte wird der Name „Alan-und-Ghalib-Kurdi-Hafen“ prangen. Das Bild des zweijährigen Alan Kurdi war 2015 um die Welt gegangen: Der syrische Junge war auf der Flucht übers Mittelmeer ertrunken und lag leblos am Strand. Weniger bekannt ist, dass bei der Flucht auch sein vierjähriger Bruder Ghalib sowie die Mutter der beiden Jungen starben, nur der Vater überlebte.

Künstler Dušan Zahoranský hatte die Idee, durch die Installation der Namen an die Millionen von Menschen zu erinnern, die in den vergangenen Jahren die Flucht nach Europa angetreten haben. Stellvertretend für Retter und Opfer sollen die Schriftzüge an den sich gegenüberliegenden Donauufern stehen. Entstanden war das Projekt während eines vierwöchigen Regensburg-Aufenthalt des Künstlers im Sommer 2019, organisiert vom Verein Donumenta. Der „Artist-in-Residence“-Aufenthalt, der von Stadt und Staatsregierung gefördert wird, ermöglicht Künstlern aus dem Donauraum, in Regensburg Ideen für zeitgenössische Kunst im öffentlichen Raum zu entwickeln.

Zahoranský überlegte sich, dass nicht nur die Gesandten beim Immerwährenden Reichstag, Könige und Patrizier aus längst vergangenen Jahrhunderten Paten für Straßen und Plätze sein sollten, sondern auch Vorbilder aus dem 21. Jahrhundert. Ins Auge stach ihm das große Engagement des Regensburger Vereins Sea-Eye mit Buschheuer an der Spitze. Beim Alan-und-Ghalib-Kurdi-Hafen war es ihm wichtig, auch an den weniger bekannten Bruder Ghalib zu erinnern. Zahoranský arbeitet viel mit Typographie im öffentlichen Raum. „Wörter in einer öffentlichen demokratischen Umgebung fördern die Diskussion“, sagt er.

Regina Hellwig-Schmid, Vorsitzende des Vereins Donumenta, betont gegenüber unserer Zeitung, sie freue sich, dass der Künstler mit einer politischen Botschaft mutig nach vorne gehe. Zusammen mit der Ästhetik der verwendeten Bauhausschriften nennt sie die Kunstwerke „kongenial“. Hellwig-Schmid erklärt, dass die Umsetzung von Kunst im öffentlichen Raum in einer Stadt wie Regensburg immer eine Herausforderung sei. „Wenn man tiefer als vierzig Zentimeter in den Boden muss, stößt man auf die Römerzeit.“ Doch die Stadt habe sehr positiv auf das Umbenennungsprojekt reagiert und die Umsetzung ermöglicht. Auch Landtagsabgeordnete Kerstin Radler (Freie Wähler) habe sich dafür eingesetzt. Am 3. September wird Radler zusammen mit Oberbürgermeisterin Gertrud Maltz-Schwarzfischer (SPD) die Schriftzüge enthüllen. Auch Künstler Zahoranský werde anwesend sein, kündigt Hellwig-Schmid an. Die Buchstaben seien bereits von Schreinern in Regensburg hergestellt worden. Auf betonierten Stützen werden die Schriftzüge in die Luft ragen. Am 1. September beginnt der Aufbau.

Hellwig-Schmid ist sich bewusst, dass die Aufstellung der Namenszüge auch negative Reaktionen hervorrufen kann. Es gibt Menschen, die der Seenotrettung und dem Engagement von Sea-Eye kritisch gegenüberstehen. „Ich wurde schon gewarnt, dass die Schriftzüge zerstört werden könnten.“ Doch solche Gedanken will die Kuratorin nicht zulassen. „Kunst hat die Freiheit und die Pflicht, mit ihren Mitteln für eine Wahrnehmung in der Gesellschaft zu sorgen.“

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Regensburg14.06.2020
 
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