Ein Schwarm schwarz-gelb gestreifter Fische zieht vorbei, Seegras tanzt über den Boden, das Blubbern des Meeres erklingt aus Lautsprechern. Das Künstlerpaar Tamiko Thiel und Peter Graf – Künstlername „/p“ (gesprochen „Slash Pi“) – hat in der grauen Fußgängerunterführung eine fantastische virtuelle Korallenhöhle entworfen. Fast schon kitschig schön ist es in der leuchtenden Meereswelt, die an den Animationsfilm „Findet Nemo“ erinnert – wäre da nicht der echte Plastikmüll, der sich, anschaulich drapiert, an beiden Seiten der Unterführung entlangschlängelt.
„Enter the Plastocene“ nennt das Künstlerpaar seine Ausstellung, die es eigens für die ehemalige Bahnhofs-Unterführung entwickelt hat. Ihre Installation zeigt die Welt im „Plastik-Zeitalter“: Kunststoff ist fester Bestandteil der Weltmeere geworden und nicht mehr zu entfernen. „Der Besucher kann die Erfahrung machen, in einer schönen Umgebung zu sein – die dann aber völlig vermüllt ist“, sagte Thiel am Donnerstagabend bei der Ausstellungseröffnung.
Das Künstlerpaar Thiel und Graf hat diese Erfahrung während eines Auslandsaufenthalts in Singapur selbst gemacht. Die beiden erkundeten die Inselwelt in Südostasien und merkten: „Je unbewohnter eine kleine Insel war, desto mehr Müll lag herum.“ Der Abfall komme zum großen Teil aus Europa und den USA. „Ich habe PET-Flaschen mit deutschem Aufdruck gefunden“, sagt Graf, der ein waschechter Oberpfälzer ist. Er wuchs in Weiden auf, machte dort Abitur. Heute lebt er mit Tamiko Thiel in München.
Thiel ist eine weltbekannte deutsch-amerikanische Pionierin der digitalen Kunst. Schon 1982 lernte die Design-Absolventin der Stanford University, Computergrafik zu programmieren. Damals saß sie an einem Riesencomputer, um einen sich drehenden Kubus darzustellen – heute können Smartphones 3D-Inhalte verarbeiten. Für Thiel, die sich seit 1994 mit Virtual Reality beschäftigte, ist das eine große Erleichterung bei ihrer künstlerischen Arbeit. Heute lädt sie Orte mit Augmented Reality mit neuer Bedeutung auf – so wie in der Regensburger Hauptbahnhof-Unterführung.
Der Regensburger Kunstverein Donumenta nutzt den Tunnel unter dem Namen „Art Lab Gleis 1“ seit einiger Zeit für verschiedene Kunstprojekte. Für „Enter the Plastocene“ wurden Beamer jeweils mit einem Smartphone verbunden, die den Raum mit den Meeresbildern füllen. Zusätzlich können die Besucher eine Smartphone-App nutzen, die den Gang durch die Unterführung noch lebendiger macht: Die Meerestiere- und pflanzen rücken dann noch näher heran, bunte Fische schwimmen einem direkt über den Kopf. Wer das Handy etwas schüttelt, erlebt dann die traurige Realität: Statt Fischen dümpeln Plastikflaschen durchs Wasser.
Donumenta-Vorsitzender Regina Hellwig-Schmid freute sich, dass solche „Hochkaräter der digitalen Kunst“ in Regensburg ausstellen. Bei „Enter the Plastocene“ handelt es sich um eine Weltpremiere. Die Ausstellung ist eine Kombination früherer Projekte des Künstlerpaars: Die virtuellen Korallen waren bereits in einer Installation im Whitney Museum in New York zu sehen, die Fische bei einem Festival in Florida.
"Enter the Plastocene"
- Die Ausstellung ist noch bis 14. November im Donumenta-Art Lab Gleis 1 am Hauptbahnhof zu sehen. Geöffnet ist sie jeweils von Mittwoch bis Samstag von 14 bis 19 Uhr, der Eintritt ist frei.
- Am 16. Oktober findet um 16 Uhr ein „Artist Talk“ mit der Künstlerin statt. Weitere Informationen unter www.donumenta.de.
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